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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Kontrolle gerieten. Aber Nora glaubte nicht, dass Akwasi so weit gehen würde. Akwasi war zivilisiert, er konnte schreiben und lesen, er würde sich nicht so vollständig von seinen Trieben und seiner Enttäuschung beherrschen lassen.
    Akwasi blieb im Stall zurück, wie erschlagen von dem, was er gehört hatte. Es hatte nichts genützt. Es war nicht so, wie er gehofft hatte, er war niemals ein Mann für sie gewesen. Nora sah ihn wie alle anderen – als einen Besitz, einen Sklaven, dessen Liebe nicht mehr sein konnte als kindliche Schwärmerei. Und nun war sie noch weitergegangen, sie hatte ihm gedroht, hatte sich zum ersten Mal genauso verhalten wie jede andere Missis. Akwasi kam nicht auf die Idee, sich an Nora zu rächen. Noch nicht. Er spürte nicht einmal wirklich Wut, sondern nur überbordende, tiefste, dunkelste Verzweiflung. Der junge Sklave legte sich zurück ins Heu. Er konnte jetzt nicht in seine Hütte. Es durfte nicht sein, dass die anderen Jungen sahen, wie sein Körper vom Schluchzen geschüttelt wurde.
    Akwasi weinte. Zum ersten Mal, seit Doug ihn verraten hatte.
    Nora kehrte zurück in ihr Haus, zitternd und aufgewühlt wie nie zuvor. Im Küchengarten fand sie einen Eimer, füllte ihn am Bach mit Wasser und zog ihr Kleid aus, um sich Akwasis Geruch vom Körper zu waschen. Sie empfand ihn nicht als abstoßend wie den von Elias, aber sie wollte jede Erinnerung an dieses Erlebnis tilgen – es durfte einfach nicht geschehen sein. Auch das Kleid würde sie wegwerfen.
    Nora beruhigte sich erst, als sie schließlich in ihr sauberes Nachthemd gehüllt zwischen den kühlen Seidenlaken ihres Bettes lag. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, wie all das hatte geschehen können – ob vielleicht wirklich ein Geist in sie gefahren war oder ob sie nur die Besessenheit durch Doug Fortnam hatte abschütteln wollen, indem sie sich Akwasi hingab. Austreiben eines Geistes mittels eines anderen … Nora hätte fast gelacht. Aber ob es ein Duppy gewesen war, der Rausch der Trommeln oder der Zuckerrohrschnaps: Sie würde es vergessen, und sie dankte Gott dafür, dass es wenigstens keine Zeugen gab.

VERRAT
    Jamaika
    Frühjahr bis Herbst 1733

KAPITEL 1
    D oug Fortnam ritt nun seit nahezu zwei Wochen durch die Blue Mountains und war die Sache gründlich leid.
    Dabei hätte er den Ausflug ins Inland seiner Insel eigentlich genießen können. Schon als Kind hatte er von der Erforschung der Gebirgskette geträumt, über der fast jeden Morgen blauer Nebel lag, bevor er sich im Laufe des Tages auflöste. Die ständig wechselnde Vegetation, die über-und unterirdisch verlaufenden Flüsse und Bäche, die Schluchten und Höhenzüge, Höhlen und Wasserfälle faszinierten ihn, und er bedauerte es oft, nicht zeichnen zu können. Nora hätte sich gefreut, hätte er die wilden Blumen und üppigen Dschungelpflanzen, die weiter oben niedrigeren, härteren und robusteren Gewächsen wie Flechten und Moosen wichen, für sie abbilden können. Mitunter träumte er von ihrem ernsthaften Gesicht beim Studium der Bücher und ihrem strahlenden Lächeln, wenn sie eine Pflanze gefunden hatte und bestimmen konnte. Er stellte sich auch gern vor, diesen Ritt mit ihr gemeinsam zu machen – möglichst bei schönem Wetter, wenn die Sonne durch das lichte Blätterdach über ihnen fiel und Schatten auf die Wege warf.
    Die seltsame »Strafexpedition«, an der er widerwillig teilnahm, fand dagegen mitten in der Regenzeit statt. Es war Doug nicht gelungen, die Pflanzer davon zu überzeugen, das Unternehmen einen oder zwei Monate zu verschieben. Dabei war es im Grunde völlig egal, ob man die Gegend jetzt oder etwas später durchsuchte. Zumindest, was das Ziel der Operation anging. Hätte Doug auch nur im Entferntesten mit Feindberührung gerechnet, hätte er sich obendrein Sorgen gemacht. Schließlich machte der verschlammte Untergrund, über den sich die Pferde oftmals tasten mussten, das Reiten beschwerlich und rasche Angriffe oder Flucht völlig unmöglich. Der fast ständige, bindfadenartige Regen erschwerte zudem die ohnehin schlechte Sicht. Aber wahrscheinlich waren all die Männer, die den Ritt aus einer Laune heraus angesetzt hatten, nie im Inland gewesen und verließen sich insofern blind auf das beständige Klima in Kingston – und den Wind am Meer, der Dauerregen auch in der Regenzeit selten zuließ.
    In den Blue Mountains – vor allem in ihrem östlichen Teil – regnete es dagegen selbst in den eigentlich trockeneren Monaten fast

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