Die Insel Der Tausend Quellen
täglich. Die Gegend verdankte ihre paradiesische Pflanzenvielfalt der ausgiebigen Bewässerung. Für die Reiter bedeutete das nun ständige Feuchtigkeit. Selbst wenn es gerade nicht regnete, tropfte von den breiten, fleischigen Blättern der Bäume Wasser auf sie herab. Amigo, Dougs spanischer Hengst, schien das persönlich übel zu nehmen. Er ging nur unwillig voran und versuchte immer wieder, den Kopf zwischen den Vorderbeinen zu halten und das Wasser am Stirnschopf ablaufen zu lassen. Doug konnte es ihm nicht verdenken, auch sein Filzhut war bereits durchnässt, und das Wasser lief ihm über die Krempe ins Gesicht. Amigo musste sich den Regen zudem auch nachts gefallen lassen, die Pferde wurden unter freiem Himmel angebunden. Doug und die anderen Männer hatten immerhin Zelte, die sie nach den nächtlichen Regenfällen allerdings nicht trocknen konnten, bevor sie die Planen zusammenlegten. Also waren sie schon am zweiten Abend klamm und begannen am dritten zu schimmeln. Ebenso wie die Decken, ebenso wie der Proviant.
Nur die reichlich mitgeführten Rumflaschen hielten dicht – und warm. Die Mitglieder der Expedition tranken sich ihr Abenteuer damit allnächtlich schön, nur Doug blieb zumindest halbwegs nüchtern. Er rechnete nicht wirklich mit einem Überfall der Maroons, aber falls die Herren der Berge sich doch entschlossen, ihre Gegner bei Nacht niederzumachen, wollte er seine Haut wenigstens so teuer wie möglich verkaufen. Eine Überlebenschance rechnete er sich in diesem Fall allerdings nicht aus. Wer hier herumritt, tat das mit Billigung oder zumindest Duldung der Maroons, egal was die anderen Männer sich vorstellten.
Überhaupt widersprach diese Expedition allem, was Doug je über Strategie gehört hatte – und das war nicht einmal wenig. Er hatte kurze Zeit überlegt, dem verhassten Studium der Rechte mittels einer Militärkarriere zu entkommen, dann hatte er sich allerdings dagegen entschieden. Schließlich zog es ihn zurück nach Jamaika, nicht in irgendwelche anderen Gegenden der Welt, in denen England gerade Krieg führte. Um sein aktuelles Abenteuer zu beurteilen, brauchte man Die Kunst des Krieges jedoch nicht gelesen zu haben. Dies hier war reines Tappen im Dunkeln, ausgeheckt von ein paar betrunkenen älteren Männern, die ein paar abenteuerlustige jüngere auf die Reise schickten. Dougs Mitstreiter auf diesem Ritt waren größtenteils Aufseher von den Plantagen, die lauthals verkündeten, sich vor den Schwarzen nicht zu fürchten. Sie schienen das Ganze als eine Art Urlaub zu betrachten und bewegten sich so großspurig und laut durch den Dschungel, dass jeder mit Gehör ausgestattete Maroon lange vor ihrem Auftauchen Zeit hatte, entweder zu fliehen oder sein Gewehr zu laden. Die Flinten der Verfolger steckten natürlich in den Satteltaschen. Niemals hätten sie rechtzeitig und halbwegs geordnet auf einen Hinterhalt reagieren können.
Nun hoffte Doug auf ein baldiges Ende des Unternehmens. Nicht deshalb, weil man auch nach zwei Wochen kein einziges schwarzes Gesicht gesehen hatte, sondern vor allem, weil die Rumvorräte zur Neige gingen.
»Müssen wir irgendwann noch mal machen«, meinte ein Aufseher von der Hollister-Plantage, als handle es sich um einen Angelausflug. »Aber dann nehmen wir vielleicht einen mit, der hier schon mal gewesen ist.«
Doug verdrehte nur die Augen. Er hatte von Anfang an vorgeschlagen, einen Führer anzuwerben. Es gab Weiße, die mit den Maroons handelten, meist kleine Gauner, die alle paar Wochen mit einem voll beladenen Maultier in die Berge ritten und hofften, möglichst viel Geld für ein paar minderwertige Werkzeuge einhandeln zu können. Es saßen auch immer mal »freie« Schwarze in Kingston im Gefängnis, meist weil man sie bei Diebstählen ertappt hatte. Der Gouverneur ließ sie in der Regel hängen – Doug war sich sicher, dass sie ihr Leben gern retten würden, indem sie die Weißen in die Berge führten. Das hatte er allerdings nicht vorgeschlagen; die Gefahr wäre zu groß gewesen, dass die Männer sie in einen Hinterhalt führten. Die Pflanzer schienen jedoch der Meinung zu sein, Nanny Town, wie die Maroons das Bergdorf nannten, in dem sie sich verschanzten, befände sich hinter der nächsten Weggabelung und es gäbe womöglich sogar Hinweisschilder.
»Weiß übrigens einer, wie wir hier wieder rauskommen?«, erkundigte sich der Aufseher launig, während er die letzte Flasche Zuckerrohrschnaps entkorkte.
Doug fasste sich an die Stirn, gleich
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