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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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darauf griff er nach seinem Kompass. Waren diese Leute denn noch nie von ihren Plantagen weg und vorher mal aus ihren schottischen Dörfern herausgekommen?
    Nun hätte man in diesem Fall wohl nur die Pferde laufen lassen müssen. Amigo jedenfalls hatte sehr klare Vorstellungen davon, wie er seinen Stall auf Cascarilla Gardens wieder erreichte, und auch die anderen Vierbeiner bewegten sich gleich schneller, als die Gruppe sich endlich auf den Heimweg machte. Nach nur drei weiteren Tagen erreichten sie Kingston – wo sich die Männer als Helden feiern ließen.
    »Erlegt haben wir zwar keinen, aber gründlich Angst haben wir den Kerlen gemacht!«, grölte Hollisters Aufseher. »In der nächsten Zeit wird sich keiner von denen hier sehen lassen!«
    Das war zwar auch vorher nicht der Fall gewesen – die Maroons richteten ihre Angriffe meist auf abgelegene Farmen in den Ausläufern des Gebirges –, aber das kümmerte niemanden. Immerhin fand jetzt zumindest Doug in Kingston etwas Anerkennung. Auf einer der rasch angesetzten »Siegesfeiern« traf er ein paar Import-Export-Kaufleute, mit denen er kundig über Handelsrecht sprach, während die anderen Expeditionsteilnehmer becherten. Es gelang ihm schnell, sie von seinen Kenntnissen zu überzeugen, und sie fragten nicht nach einem Diplom, bevor sie ihn baten, Verträge für sie durchzusehen oder neue aufzusetzen. Nachdem er einem der Männer gleich bei Verhandlungen mit England beiseitestand und auf Gesetzeslücken hinwies, die ihm die Einfuhr seiner Waren ins Mutterland erleichterten, war sein Name in aller Munde. In Zukunft würde er nicht mehr untätig auf der Plantage seines Vaters herumsitzen müssen, sondern fast jeden Tag nach Kingston reiten und sein eigenes Geld verdienen.
    Doug kehrte also halbwegs zufrieden heim.
    Nora erwachte am Tag nach der Obeah-Zeremonie mit quälenden Kopfschmerzen. Sie hatte nie so viel getrunken wie in dieser Nacht, vor allem niemals härtere Sachen als Wein oder mal ein Glas Rumpunsch. Das Erlebnis mit Akwasi verblasste fast vor dem Pochen in ihrem Schädel – das auch dadurch nicht besser wurde, dass Máanu nicht auftauchte, um ihr zu helfen. Die kleine Mansah brachte ihr schließlich auf Adweas Geheiß ihr Riechsalz und legte ihr feuchte Tücher auf die Stirn.
    »Máanu morgen wieder da«, verhieß das Mädchen.
    Nora dachte sich nicht viel dabei. Sie vermutete, dass es Máanu an diesem Morgen ähnlich wie ihr selbst ging, was ihre Pflichtvergessenheit zwar nicht entschuldigte, aber immerhin erklärte. Nora wunderte sich erst, als Máanu am nächsten Tag zwar wieder zur Arbeit erschien, sich dabei aber so kratzbürstig und wortkarg verhielt wie an Noras erstem Tag auf der Plantage. Eigentlich war es noch schlimmer, denn damals hatte Máanu sich nur gleichgültig gegeben. Jetzt schien sie Nora regelrecht böse zu sein.
    »Hast du mich auf der Obeah-Zeremonie gesehen?«, versuchte Nora die Gründe dafür zu erforschen. »Hat es dir nicht gepasst? Meinst du, Weiße dürften da nicht anwesend sein?«
    »Missis tut, was Missis will«, gab Máanu patzig zurück.
    Sie verzog sich aus dem Zimmer, vorgeblich, um irgendetwas zu tun oder zu holen. Nora hätte sie natürlich zwingen können, ihr Rede und Antwort zu stehen, aber sie wollte dem Mädchen nicht zu nahe treten. Irgendwann, so hoffte sie, würde Máanu wieder auftauen. Vielleicht hatte Noras Teilnahme an der Versammlung ja ihre religiösen Gefühle verletzt. Máanu hatte ganz vorn gesessen, wahrscheinlich gehörte sie also zu Kwadwos innigsten Gefolgsleuten. Nora fragte sich nur, woher sie überhaupt von der Anwesenheit ihrer Herrin wusste. Sie hätte Adwea zum Stillschweigen verpflichten müssen …
    Was Akwasi anging, so hielt sich der junge Feldarbeiter an Noras Anweisungen und kam ihr nicht mehr nahe. In den ersten Tagen ging ihm auch Nora gezielt aus dem Weg, aber dann stellte sie fest, dass dies gar nicht nötig war, Akwasi mied sie von sich aus.
    Zwei Tage nach dem Vorkommnis in der Scheune stellte Nora erleichtert fest, dass ihr Blutfluss einsetzte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie guter Hoffnung gewesen wäre. Sie hätte zwar gewusst, an welche Baarm Madda sie sich im Falle einer Schwangerschaft hätte wenden können. Die Heilerin und Hebamme gehörte zur Keensley-Plantage, und man erzählte sich, dass sie auch weiße Mädchen aus Kingston »behandelte«. Zudem starb kaum eine der Sklavinnen, die bei ihr gewesen waren, sie war sicher die Beste der Gegend. Aber

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