Die Insel Der Tausend Quellen
Mondlicht. Es roch nach Kräutern und Moder, in der Höhle musste es feucht sein.
»Was willst du also hier?«, fragte Tolo. »Plant der Gouverneur nun doch noch einen Angriff, und du bist sein Spion? Das glaube ich nicht, dafür bist du zu ungeschickt! Aber immerhin hast du’s unbemerkt bis hierher geschafft …«
Doug zuckte die Schultern. Tolo wies ihn an, sich auf den Boden ihrer Hütte zu setzen, und schob ihm ein Kissen hin. Doug dankte und ließ sich nieder.
»Die Wachen sind nicht besonders aufmerksam«, bemerkte er.
Tolo kicherte. »Das kommt, weil Nanny nicht da ist«, gab sie Auskunft. »Akwasi nehmen sie nicht ernst …«
»Akwasi ist ihr Stellvertreter?«, brach es aus Doug heraus.
Tolo musterte ihn forschend. »Du kennst Akwasi?«, fragte sie.
Doug nickte grimmig. »Es … es wundert mich nicht wirklich«, meinte er dann. »Er ist ein kluger Kopf.«
Tolo runzelte die Stirn. »Ja? Nun, Männer urteilen da vielleicht anders als ich … Aber nun rede. Was führt dich her?«
»Wo ist denn Granny Nanny?«, fragte Doug zurück. »Ich dachte …«
»Die Queen und der King treffen sich mit Cudjoe und Accompong in den Bergen. Um ihre Götter anzurufen, wegen dieses Vertrages mit dem Gouverneur. Ich hoffe, die Götter hören sie. Afrika ist weit …« Tolo klang nicht sehr optimistisch.
Doug lächelte. »Hört Gott uns nicht immer?«, meinte er.
Tolo zog die Augenbrauen hoch. »Kommt wohl auf den Gott an«, bemerkte sie vage. »Die afrikanischen Götter sind nie viel gereist … Was ist jetzt mit dir? Muss ich meine Waffe wieder vorholen, damit du redest?«
Doug grinste. Er hätte die rundliche Frau längst überwältigt, bevor sie ihre Pistole wieder vorgekramt und entsichert hätte, aber nichts lag ihm ferner.
»Meine Name ist Doug Fortnam«, stellte er sich vor. »Von Cascarilla Gardens. Kennst du eine … Nora Fortnam?«
Er sprach ruhig, aber innerlich zitterte er. Es war immer noch möglich, dass er sich irrte. Die weiße Frau musste nicht Nora sein …
Tolos breites schwarzes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Du kommst spät«, bemerkte sie.
Doug verstand nicht.
»Nun, sie hat dich früher erwartet«, präzisierte die alte Frau. »Ob sie dich jetzt noch will … Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«
Es klang wie eine Neckerei, aber Doug schnitt es trotzdem wie ein Messer in die Brust. »Ich dachte, sie wäre tot. Ich dachte, ich hätte sie verloren. Wenn ich es gewusst hätte … Ich wäre am nächsten Tag gekommen, ich …«
»Dann wärst wahrscheinlich du tot«, meinte Tolo gelassen. »Die Geister treiben mitunter Scherze mit uns. Und jetzt willst du sie mitnehmen? Das wird Akwasi nicht gefallen.«
Doug fuhr auf. »Ob’s dem gefällt oder nicht, ist mir egal. Ich habe ihm nie was getan, und Nora erst recht nicht. Wenn es sein muss, werde ich um sie kämpfen, ich …«
»Du willst also zur Queen gehen und einen Zweikampf vorschlagen?« Tolo lachte meckernd. »Das klingt nach einem Märchen, das wir noch in hundert Jahren unseren Kindern erzählen werden.«
Doug biss sich auf die Lippen. »Das eher nicht«, meinte er. »Der Gouverneur … Nun, er will keine diplomatischen Verwicklungen. Keine weiße Sklavin, keine spektakuläre Befreiung. Ich dachte also … Wenn sie mich noch will … Sie kommt einfach hierher, und dann gehen wir …«
Tolos lachte wieder. »Du hast ihr also schon einen Liebesbrief geschickt?«, erkundigte sie sich. »Mit einer weißen Taube? Die Tochter meiner alten Missis malte so was auf ihre Briefe. Mit Herzchen im Schnabel …«
Doug lachte jetzt auch. »Mehr mit einer schwarzen Krähe. Aber sie wird erfahren, dass ich hier auf sie warte. Wenn ich das darf …«
Tolo nickte gelassen. »Wenn die Geister dich geschickt haben … Wer bin ich, um dich zu hindern? Aber halte dich versteckt! Um den Hügel herum sind weitere Höhlen. Und stell es dir nicht zu leicht vor. Niemand geht hier einfach weg, wenn die Queen es nicht will. Und Akwasi ist hoch geachtet.« Tolo stand auf und schob den Vorhang zur Seite, der ihre Hütte verschloss. »Du musst auch sicher sein, ob du Nora noch willst«, sagte sie schließlich, fast widerstrebend. »Wenn sie kommt, kommt sie nicht allein, weißer Mann. Sie hat ein Kind.«
KAPITEL 6
E s sprach sich schnell herum, dass die Wächter eine entlaufene Sklavin aufgegriffen hatten, und zufällig war Nora dabei, als man Princess zu Akwasi führte. Es war Sonntag, und Dede hatte verlangt, Jefe in seiner Hütte zu besuchen. Dem
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