Die Insel Der Tausend Quellen
Backra, dass du sie verkaufst? Was hat Tally dir für sie geboten? Du musst den Mann nicht nehmen, Princess. Du kannst dir selbst eine Hütte bauen und dir später einen suchen.«
»Aber ich nicht kann Haus bauen«, sagte Princess verzweifelt.
Die Situation überforderte sie sichtlich. So hatte sie sich die Freiheit nicht vorgestellt.
»Da siehst du’s«, bemerkte Akwasi zu seiner Frau. »Sie will Tally. Oder besser Robby?«
Ein anderer, etwas kleinerer Mann, ebenfalls aus Princess’ nächtlicher Eskorte, trat vor und leckte sich die Lippen.
»Ich will Christ«, beharrte Princess verwirrt. »Einer von beide Christ?«
Die Leute auf dem Dorfplatz lachten. Unter den ursprünglich spanischen Sklaven beteten viele zur Dreifaltigkeit, allerdings immer in Gemeinschaft mit anderen Obeah-Göttern und Geistern. Als Christ hätte sich niemand bezeichnet.
»Sie kann warten, bis Nanny zurückkommt!«, beharrte Máanu. »Und Tally und Robby können solange ja schon mal Hütten bauen. Dann kann sie hinterher den nehmen, der das schönste Haus hat!« Auch das schien bei gewissen Stämmen Afrikas ein Auswahlkriterium zu sein.
»Ich will Christ!«, wiederholte Princess. »Aber wo soll schlafen, wenn kein Haus?«
Nora runzelte die Stirn. Sie wusste nicht recht, wie sie das Mädchen einschätzen sollte. Princess war wohl Haussklavin gewesen – auch wenn sie nur einen Herrn gehabt und nicht in einem Haushalt mit Frau und Kindern gelebt hatte. Sie kam auch sicher von keiner Plantage – dort hätte sich niemand davor gefürchtet, ein paar Nächte unter freiem Himmel zu verbringen. Nun, sie hatte gesagt, sie stamme aus Kingston … Nora hätte den neuen Reverend dort gern kennengelernt, der Sklaven taufte. Aber jetzt musste sie sich erst mal um dieses Mädchen kümmern, das offensichtlich völlig unselbstständig war. Und hoffen, dass Máanu sie darin unterstützte.
»Du kannst bei mir wohnen«, sagte sie ruhig. »Bis Nanny zurück ist …«
Princess strahlte – und auf ihrem Gesicht schien obendrein etwas wie freudiges Erkennen aufzuleuchten. Nora wunderte das, gewöhnlich standen befreite Sklavinnen der weißen Frau eher argwöhnisch gegenüber.
»Dein Mann nichts dagegen?«, fragte sie.
Nora warf Akwasi einen festen Blick zu. »Mein Mann führt hier die Geschäfte für die Queen …« Sie spie die Worte aus. »Wenn auch auf sehr eigenwillige Art und Weise. Aber bis Nanny zurück ist, wird er im Dorf bleiben. Bei seiner anderen Frau …«
Princess bekreuzigte sich. »Du aber Christin?«, vergewisserte sie sich.
Nora nickte, obwohl sie da in der letzten Zeit ihre Zweifel hatte. Weder Gott noch sein Sohn hatten ihre Gebete schließlich je erhört.
»Ich bin getauft«, sagte sie.
Princess lächelte glücklich. »Dann ich gehen mit Missis!«, beschied sie Akwasi und die Bewerber um ihre Hand.
Tally und Robby begannen sofort, auf Akwasi einzureden. Der Rest der unverheirateten männlichen Anwesenden rechnete sich dagegen neue Chancen aus und lächelte Princess verheißungsvoll zu, als sie Nora durch die sich zerstreuende Menge folgte. Das Mädchen hatte jedoch keinen Blick für sie.
»Ich auch Nachricht für Missis!«, wisperte sie Nora zu, die nicht genau hinhörte, da sie sich suchend nach ihrer Tochter umsah. »Deshalb gut, dass gehen mit. Gott fügt alles nach seine Sinn. Sagen Reverend.«
Nora seufzte. »Dann hoffen wir mal, dass er Recht hat«, beschied sie die Frau und lächelte, als sie ihre Tochter entdeckte. Die Kleine hatte mit Jefe Kriegsbemalung gespielt und war über und über bedeckt mit Kalk und rotem Schlamm. »Dede, da bist du ja! Wenn auch kaum wiederzuerkennen. Komm jetzt, wir müssen gehen. Wir haben Besuch, Dede, und denk dir, sie heißt Princess! Ist das nicht ein schöner Name?« Sie nahm das kleine Mädchen hoch, und Princess blickte verblüfft in die leuchtend grünen Augen des Kindes, die denen seiner Mutter aufs Haar glichen. »Princess, das ist meine Tochter Deirdre!«
Sie verstand nicht, warum Princess sich erneut bekreuzigte. Akwasi ließ sich während der Nacht nicht blicken, aber damit hatte Nora auch nicht gerechnet. Princess war völlig erschöpft auf dem Boden in ihrer Hütte eingeschlafen, während sie noch mit Dede am Bach war, um der Kleinen die Farbe abzuwaschen. Nora ließ sie schlafen und wartete auch am nächsten Morgen, bis sie von den Düften des Frühstücks wach wurde. Dabei entschied sie sich, der neuen Freundin ein »weißes Frühstück« zuzubereiten. Sie hatte keinen
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