Die Insel des Dr. Moreau
meiner Tasche. Denn ich gedachte diese Bestie - die furchtbarste von allen, die jetzt noch auf der Insel waren - beim ersten Anlaß, der sich mir bot, zu töten. Es mag hinterhältig erscheinen, aber ich war dazu entschlossen. Ich hatte vor ihr viel mehr Angst als vor irgendwelchen anderen vom Tiervolk. Ihr Leben, das wußte ich, war eine dauernde Bedrohung des meinen.
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich mich gesammelt hatte. Dann rief ich: »Grüße! Beuge dich!«
Seine Zähne blitzten, und es knurrte mich an. »Wer bist du, daß ich ...«
Vielleicht ein wenig zu krampfhaft zog ich meinen Revolver, zielte und feuerte rasch. Ich hörte das Tier aufschreien, sah es zur Seite laufen und sich wenden; da wußte ich, daß ich gefehlt hatte, und zog den Hahn zum zweiten Schuß mit dem Daumen zurück. Aber das Ungeheuer lief schon Hals über Kopf hakenschlagend davon, und ich wollte keinen zweiten Fehlschuß riskieren. Hin und wieder blickte es sich über die Schulter nach mir um. Es lief den Strand entlang und verschwand unter den treibenden Massen dichten Rauchs, die noch aus der brennenden Ummauerung strömten. Eine Zeitlang stand ich da und starrte ihm nach. Ich wandte mich wieder meinen drei gehorsamen Tiermenschen zu und gab ihnen ein Zeichen, die Leiche fallen zu lassen, die sie noch trugen. Dann ging ich zu der Stelle neben dem Feuer zurück, wo die Leichen gelegen hatten, und bewarf sie so lange mit Sand, bis die braunen Blutflecken aufgesogen und verborgen waren.
Ich entließ meine drei Diener mit einer Handbewegung und ging den Strand hinauf ins Dickicht. Den Revolver trug ich in der Hand, die Peitsche mit den Beilen in meine Armbinde gehängt. Ich wollte allein sein, um die Lage zu überdenken, in der ich mich jetzt befand.
Etwas Furchtbares, das mir erst allmählich klarzuwerden begann, war, daß es jetzt auf der ganzen Insel keinen sicheren Ort mehr gab, wo ich allein sein und mich ausruhen und schlafen konnte. Ich hatte mich seit meiner Landung wieder erstaunlich gut erholt, aber ich neigte noch zu Nervosität und dazu, unter jeder großen Anstrengung zusammenzubrechen. Ich wußte, ich hätte über die Insel gehen und mich beim Tiervolk niederlassen sollen, um mir so dessen Vertrauen zu sichern. Aber mir versagte das Herz. Ich ging an den Strand zurück, wandte mich nach Osten und wanderte zu einer Landzunge, von der aus eine schmale Düne aus Korallensand zum Riff hinaus verlief. Dort konnte ich mich hinsetzen und nachdenken, den Rücken zum Meer. Hier konnte ich nicht überrascht werden, und hier saß ich, das Kinn auf den Knien, die Sonne brannte mir auf den Kopf, meine Angst wuchs, und ich überlegte, wie ich bis zur Stunde meiner Befreiung (wenn sie je anbrechen sollte) weiterleben könnte. Ich versuchte, die ganze Situation ruhig zu überblicken, aber es war unmöglich, die Sache ohne Aufregung zu betrachten.
Ich begann im Geist die Gründe von Montgomerys Verzweiflung Revue passieren zu lassen. »Sie werden sich ändern«, hatte er erklärt. »Sie werden sich sicher ändern.« Und Moreau - was hatte Moreau gesagt? »Das zähe Tierfleisch ist stärker, wächst allmählich wieder nach ...« Dann dachte ich wieder an das Hyänenschwein. Ich war überzeugt, daß die Bestie mich töten würde, wenn nicht ich sie tötete ... Der Sprecher des Gesetzes war tot - um so schlimmer! ... Sie wußten jetzt, daß wir mit den Peitschen erschlagen werden konnten, wie sie erschlagen wurden ...
Spähten sie schon aus den grünen Massen der Farne und Palmen da drüben zu mir her? Lauerten sie, bis ich ihnen über den Weg lief? Verschworen sie sich gegen mich? Was hatte ihnen das Hyänenschwein gesagt? Meine Phantasie vergaloppierte sich in einem Morast haltloser Befürchtungen.
Meine Gedankengänge wurden durch den Schrei von Meeresvögeln gestört, die auf einen schwarzen Gegenstand zuflogen, der in der Nähe der Ummauerung auf dem Sand gestrandet war. Ich wußte, was für ein Gegenstand es war, aber mir fehlte der Mut, zurückzugehen und die Vögel zu vertreiben. Ich begann in der entgegengesetzten Richtung den Strand entlangzugehen, um so zur östlichen Ecke der Insel zu gelangen und mich der Schlucht mit den Hütten zu nähern, ohne mich den Gefahren des Dickichts auszusetzen.
Nachdem ich etwa eine halbe Meile am Strand zurückgelegt hatte, sah ich, daß einer meiner drei Tiermenschen aus den Büschen auf mich zukam. Ich war von meinen Einbildungen so nervös, daß ich sofort meinen Revolver zog. Selbst
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