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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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der ich schon so viel gelitten hatte; hinter mir die Insel unter dem Sonnenaufgang - das Tiervolk blieb still und unsichtbar. Die Ummauerung brannte mit all ihren Vorräten und ihrer Munition lichterloh, plötzliche Flammenstrahlen schossen empor, ich hörte stoßweises Prasseln und hin und wieder einen Knall. Der schwere Rauch trieb den Strand hinauf von mir fort und wälzte sich dicht über den fernen Baumwipfeln zu den Hütten in der Schlucht. Neben mir lagen die verkohlten Reste der Boote und die fünf Leichen.
    Dann kamen aus den Büschen drei Tiermenschen mit krummen Schultern, vorgeschobenen Köpfen, ungestalten, linkisch ausgestreckten Händen und forschenden, unfreundlichen Augen und traten mit zögernden Gesten auf mich zu.

20
    Allein mit dem
    Tiervolk

    Ich trat diesen Leuten - und zugleich mit ihnen meinem Schicksal - entgegen, einarmig, denn mein anderer Arm war ja gebrochen. In der Tasche hatte ich einen Revolver, den ich bereits zweimal abgefeuert hatte. Zwischen den Holzsplittern, die auf dem Strand verstreut waren, lagen die beiden Äxte, die man benutzt hatte, um die Boote zu zerschlagen. Hinter mir strömte langsam die Flut herein.
    Nichts als Mut konnte mir helfen. Ich blickte den herankommenden Ungeheuern offen ins Gesicht. Sie mieden meine Augen, und ihre zitternden Nüstern witterten die Leichen, die hinter mir auf dem Strande lagen. Ich machte ein halbes Dutzend Schritte, hob die blutbefleckte Peitsche auf, die unter der Leiche des Wolfmenschen lag, und knallte damit.
    Sie standen still und starrten mich an. »Grüßt«, sagte ich. »Beugt euch!«
    Sie zögerten. Einer fiel in die Knie. Ich wiederholte meinen Befehl, das Herz schlug mir im Hals, und ich ging auf sie zu. Noch einer kniete nieder, und dann auch die beiden anderen.
    Ich ging zu den Leichen, hielt aber das Gesicht den drei knienden Tiermenschen zugewandt, wie ein Schauspieler, der die Bühne hinaufgeht und dabei das Publikum ansieht.
    »Sie haben das Gesetz gebrochen«, sagte ich und setzte den Fuß auf den Sprecher des Gesetzes. »Sie sind erschlagen worden. Selbst der Sprecher des Gesetzes. Selbst der andere mit der Peitsche. Groß ist das Gesetz! Kommt und seht.«
    »Keiner entkommt!« sagte einer der Tiermenschen, trat vor und glotzte.
    »Keiner entkommt«, wiederholte ich. »Also hört und tut, wie ich befehle.« Sie standen auf und blickten sich gegenseitig fragend an.
    »Kommt her«, befahl ich.
    Ich hob die Beile auf, drehte Montgomery um, nahm seinen Revolver, der noch mit zwei Patronen geladen war, beugte mich nieder, um die Taschen zu durchsuchen, und fand noch ein halbes Dutzend Patronen.
    »Nehmt ihn«, sagte ich, stand auf und deutete mit der Peitsche, »nehmt ihn, tragt ihn hinaus, und werft ihn ins Meer.«
    Sie kamen heran, offenbar noch immer in Angst vor Montgomery, aber noch mehr in Angst vor meiner knallenden roten Peitsche, und nach einigem Zögern und Warten, einigem Peitschenknallen und Rufen hoben sie den Leichnam vorsichtig auf, trugen ihn zum Wasser hinunter und gingen platschend ins gleißende, wogende Meer. »Weiter«, sagte ich, »weiter - tragt ihn weit!«
    Sie gingen bis zu ihren Achselhöhlen ins Wasser, standen dann still und sahen mich an. »Laßt ihn los«, sagte ich, und Montgomerys Leiche verschwand spritzend. Etwas in meiner Brust zog sich zusammen. »Gut!« sagte ich mit brüchiger Stimme, und sie kamen eilig und ängstlich zum Rande des Wassers zurück, lange schwarze Spuren im Silber zurücklassend. Am Strand blieben sie stehen, wandten sich um und starrten ins Meer, als erwarteten sie, daß Montgomery sich alsbald daraus erhebe und Rache fordere.
    »Jetzt diese«, sagte ich und zeigte auf die anderen Leichen.
    Sie hüteten sich, der Stelle nahe zu kommen, wo sie Montgomery ins Wasser geworfen hatten: statt dessen trugen sie die toten Tiermenschen vielleicht hundert Meter weit schräg über den Strand, ehe sie hinauswateten und sie versenkten.
    Als ich zusah, wie sie M’lings zerfleischte Überreste aufluden, hörte ich hinter mir einen leichten Schritt, wandte mich schnell um und sah das große Hyänenschwein vielleicht ein Dutzend Meter von mir entfernt. Es hielt den Kopf gesenkt, die funkelnden Augen auf mich gerichtet, die steifen Hände geballt und eng an seine Seiten gepreßt. Es blieb in seiner geduckten Haltung stehen, als ich mich umdrehte, und wandte die Augen ein wenig ab.
    Einen Moment standen wir Aug’ in Auge. Ich ließ die Peitsche fallen und griff nach der Pistole in

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