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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich meine Ruhe vor ihr haben wollte, und weder Klage noch Widerstand brachten sie dann dazu, von mir abzulassen. Ob ich aß, schlief oder meinen Darm entleerte, wenn meine Mutter nach mir verlangte, mußte ich kommen, und zwar schnell.
    Je mehr ich dem Kleinkindalter entwuchs, um so deutlicher wurde mir, daß es zahllose Dinge gab, die ich nicht tun, Weisen, wie ich nicht sein, Gesichter, die ich nicht schneiden durfte. Meine Mutter schlug mich, wenn ich sie ärgerte, obwohl selten auszumachen war, was ihren Ärger verursacht hatte. Dann wieder zog sie mich an sich und drückte mich, klagte und murmelte auf ihre wortlose Art, als ob ich das einzige wäre, das ihr Herz daran hinderte, in der Brust zu zerspringen.
    Sagte ich schon, daß ich sie liebte? Denn das tat ich auf meine hilflose Art, und keine Schläge konnten daran je etwas ändern. Dennoch gab es Zeiten, da fand ich es unerträglich, in ihrer Nähe zu sein, und mir war, als wäre meine Liebe zu ihr ein vor meinen Füßen klaffendes Loch, das mich zu verschlingen drohte.
    Mit zunehmendem Alter wurde mein Bedürfnis nach Unabhängigkeit ein starker Hunger. Wenn ich am Morgen wegging und den ganzen Tag über ausblieb, bekam ich eine Tracht Prügel – aber nur eine. Wenn ich statt dessen bei ihr blieb, riskierte ich damit eine Unmenge unerwarteter Schläge und nicht minder viele genauso unerwartete und fast genauso verstörende jammervolle Liebesbekundungen. Aber sie kannte die Insel nicht viel schlechter als ich. Es war nicht damit getan, aus ihrer Reichweite zu sein – in dem Falle hätten Dutzende von nahen Bäumen oder Felsen hinreichend Schutz geboten. Ich mußte außer Sichtweite sein und auch unerreichbar für den Klang ihrer grunzenden Stimme. Es war ein eigentümlicher Zauber, den meine Mutter wirkte – vielleicht alle Mütter, ich weiß es nicht. Wenn ich in ihrer Nähe war, fühlte ich den übermächtigen Drang, ihr zu gehorchen.
    Einen besonderen Platz gab es, der mich anzog, ein Tal. Nicht übermäßig weit entfernt von der Hütte, in der meine Mutter und ich lebten, umfangen von den ersten felsigen Gebirgsausläufern, war es dennoch einer der wenigen Orte, die wir nicht erkundet hatten, da der einzige Pfad dorthin von stachelnden Sträuchern zugewuchert war, deren Zweige Dornen von der Länge meiner ersten zwei Fingerglieder hatten. Seiner Unzugänglichkeit wegen regte dieses Tal meine Phantasie außerordentlich an, und häufig trieb ich mich oben am Pfad vor der Dornenhecke herum, auch wenn es höhere Stellen auf der Insel gab, wo die Aussicht besser war und wo meine Mutter schlechter hinkam.
    Eines Tages krabbelte ich dort oben auf Händen und Knien hinter einem Insekt her, das haargenau wie ein laufender Stock aussah. Ja, in meinem offenherzigen Wunderglauben nahm ich tatsächlich an, es sei ein Stock, einfach eine mir bis dahin noch nicht untergekommene Art, die eben laufen konnte. Jedenfalls bog dieser Stock irgendwann ab und spazierte unverdrossen in das Dornendickicht hinein. Ich blickte ihm traurig hinterher, wohl wissend, daß ich ihm dorthin nicht folgen konnte, und wünschte, ich könnte auch so klein sein und so mir nichts, dir nichts entschlüpfen. Doch wie ich so die Stelle betrachtete, wo er verschwunden war, sah ich, daß die stechenden Zweige zwar zu dicht verflochten waren, um ein größeres Wesen durchzulassen als das soeben entwichene Insekt, aber den Boden nicht ganz berührten. Jeder Dornenstrauch hatte einen Mittelstamm, und quer über den Pfad standen nur ein halbes Dutzend solcher Stämme, obwohl das Ganze den Eindruck einer durchgehenden Hecke machte. Ich legte mich auf den Bauch und erkannte, daß unter den Dornen in der Tat eine Lücke war, etwas niedriger, als meine Hand breit war. Enttäuscht setzte ich mich wieder auf. Ich war auf jeden Fall viel zu groß: Selbst flach auf dem Rücken liegend hätte ich aus tausend Wunden geblutet, bevor ich mich zur Hälfte hineingezwängt hätte.
    Da kam mir plötzlich ein Gedanke, und sofort warf ich mich wieder hin. Ich suchte den Boden ab und hatte bald entdeckt, was ich brauchte: zwei abgebrochene Äste von einem der größeren Bäume, – beide fast so lang wie ich, beide einigermaßen gerade, vor allem nachdem ich die kleineren Seitenzweige abgebrochen hatte. Ich begab mich zur Dornenhecke zurück, schob die Äste ein Stück weit darunter und drückte. Der Spalt verbreiterte sich ein wenig. Ich wälzte mich auf den Rücken, die zwei behelfsmäßigen Hebel weiter

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