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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hast recht, kleiner Wilder, meinte er. Hier werden wir bauen.
    Der Augenblick der Furcht an der Dornenhecke saß mir noch im Nacken, und so tanzte ich diesmal nicht, aber ich war sehr glücklich.
     
     
    Wenn ich es doch nur geahnt hätte, Miranda. Wenn ich doch nur die Lehrbücher deines Vaters hätte lesen und verstehen können, vielleicht hätte ich dann in einem davon einen Zauber entdeckt, um die Zeit zum Stillstand zu bringen… denn diese Tage, diese Monate, im ganzen höchstens zwei kurze Jahre, sie waren die glücklichsten, die mir beschieden waren. Wie sehr wünsche ich mir, ich könnte ein Fenster in die Vergangenheit öffnen und meinem jüngeren Ich eine Warnung zukommen lassen. Bleib stehen! würde ich rufen. Geh nicht weiter!
    Doch wenn ich darüber nachdenke, will mir scheinen, ich sollte ein früheres Fenster öffnen, denn an jenem Tag, als wir den Standort eures neuen Hauses fanden, hatte Prospero bereits die Saat der Verderbnis in mir gesät, auch wenn ich noch nicht verstand, was ich da ausbrütete. Daher wäre es vermutlich besser, den auf dem Felsen kauernden jungen Namenlosen zu finden und ihm statt dessen eine Warnung zuzurufen. Ich könnte ihm raten, davonzulaufen… oder sogar Steine zu nehmen und euch beide in der ersten Nacht, in der ihr auf meiner Insel schlieft, zu töten. Wenn er euch beide in einem schändlichen Loch neben der Muttersau verscharrt hätte, kann ich mir nicht vorstellen, daß seine Strafe in irgendeinem Leben nach dem Tode gräßlicher hätte sein können als die Zerstörung meines Lebens jetzt.
    Doch von alledem hatte ich noch keine Ahnung, nicht die geringste. Ich war kein Mensch, sondern eine kleine Puppe in Menschenkleidern, dazu gemacht, zur Unterhaltung eines heimlich tuenden alten Mannes und seines verwöhnten Kindes zu tanzen. Ich war eine Marionette, die man nur so lange brauchen konnte, wie sie einen belustigte.
    Oder wie sie für einen arbeitete, denn in die Richtung gingen die Gedanken deines Vaters. Ich glaube, er hatte meinen jungen Knochen meine künftige Statur angesehen und die Absicht gefaßt, sich meine Stärke in vollem Umfang zunutze zu machen. Wie ein Maultier, das den ganzen Tag lang mit der Peitsche die Straßen auf und ab getrieben wird und am Abend dankbar für eine Handvoll Hafer ist, sollte ich durch kleine Gnadenerweise zur Nützlichkeit erzogen werden. Ein grausamer, hintertriebener Mann, dein Vater.
    Doch seltsamerweise habe ich selbst heute noch irgendwo die Hoffnung, daß er nicht restlos verstand, was er mir antat… denn ein Teil von mir liebt ihn. Ist das nicht zum Totlachen? Ein Teil von mir liebt ihn immer noch, diese furchtbare Klippe, an der mein Leben zerschellte und unterging. Die Ehrfurcht, das Staunen, die Freude über die geringste Aufmerksamkeit Prosperos, sie sind mir nicht gänzlich vergangen. Wenn ich ihn in Mailand lebendig angetroffen hätte, hätte ich geweint, bevor ich ihn tötete, und das nicht nur vor Zorn. So wie ich weinen werde, bevor diese Nacht um ist, Miranda.
     
     
    Ich wurde in Dienst genommen. Oh, er war nicht so dumm, es so zu nennen, und in der Tat packte er anfangs selbst mit an und lehrte mich die Künste, die man zum Bau von Zäunen, von Wänden braucht. Mir kam es wie eine neue Form der Magie vor – zu der Zeit war eure ganze Welt so fremdartig und sonderbar, daß ich kaum einen Unterschied sehen konnte zwischen der Zauberei der Worte, der Hexerei der tanzenden Puppen und der magischen Kunst von Firstbalken, Sparren und Strohdach.
    Ich arbeitete fleißig, weil ich unbedingt beweisen wollte, daß er seine Mannbarkeitsgeschenke nicht dem Falschen gemacht hatte. Von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit, wenn der Himmel sich dunkelrot verfärbte, hackte ich gefällte Bäume zurecht, spaltete sie und spaltete sie noch einmal und brachte dann die Stücke mit Hilfe des Maßbands, das mir dein Vater gab, einer mit Knoten unterteilten Ranke, auf die gewünschte Länge. Tief gebückt schleppte ich die Hölzer in gewaltigen Stapeln den Hang hinauf, doch mir entfuhr kein Wort der Klage.
    Allein schon die Idee des Hauses war für mich wie ein Wunder. Als ich es ihn das erste Mal in den Staub zeichnen sah, die Innenwände sah, die es in verschiedene Räume untergliedern sollten wie die Kammern einer Nautilusschnecke, konnte ich es kaum fassen. Was sollte ich anders denken, als daß Prospero die Idee eines Hauses mit mehr als einem Raum selbst erfunden hatte? Es bestätigte sein übernatürliches

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