Die Insel des Magiers
einer Melodie, die von meiner Mutter stammen konnte oder die mir durch irgendeine andere Tür in den betrunkenen Sinn gekommen sein mochte.
Ban! Ban! Kaliban! Banl Banl Kaliban!
Im Singen platschte ich durch die Brandung, drehte mich im Kreis und spritzte mit beiden Händen den Schaum umher.
Ban! Ban! Kaliban!
Kali-kali-ban!
Ich sang immer lauter und kreiste immer schneller, bis mir das Gehirn im Kopf überkippte und ich ins Wasser stürzte. Lachend zogst du mich hoch und halfst mir, an den Strand zurückzustolpern. Mir drehte sich immer noch alles, aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, warum ich angefangen hatte zu singen.
Wir setzten uns in den Sand, du und ich, doch dein Vater blieb dicht am Wasser stehen. Ich kauerte mich schlotternd neben dir zusammen, da schoß mir abrupt der Mageninhalt in den Mund und durch die Zähne hinaus. Der Übelkeitsanfall dauerte nicht lange. Als ich mich leergespien hatte, decktest du den Auswurf mit Sand zu, gingst mir dann in deinen gewölbten Händen Meerwasser holen und wuschst mir das Gesicht. Dein Vater sah nur wortlos zu; im Dunkeln konnte ich seine Miene nicht erkennen.
Als ich mich ein bißchen erholt hatte, rief Prospero: Schaut!
Er griff sich die brennende Fackel, die er in den Sand gesteckt hatte, schwenkte sie durch die Luft und zog damit vor dem schwarzen Hintergrund einen Feuerkreis. Der Ring blieb lodernd in der Luft hängen. Er machte noch andere Gestalten, zeichnete die Umrisse von Landtieren und Vögeln und Fischen, schrieb, wie es schien, Worte in völlig anderen Zeichen als denen, die ich in seinen Büchern gesehen hatte. Er ließ die schwebenden Feuer die Farbe wechseln – erst rot, dann silbersprühend, dann ein Blau, das wie ein Grillenlied aus Licht pulste. Wir sahen zu. Du klatschtest vor Freude in die Hände.
Nach einer Weile winkte dein Vater mit seinen Spinnenfingern, und die Flammenbilder fielen als rauchende Klumpen in die Brandung. Dampfschwaden stiegen zischend auf und verbargen Prospero einen Augenblick lang. Als sie abzogen, stand er hoch aufgerichtet vor uns, ein schwarzer Umriß, in dem keine Sterne leuchteten.
Von dem Gang zurück den Hügel hinauf habe ich nicht mehr viel in Erinnerung. Die Geräusche des Waldes klangen gedämpfter, und Prosperos Fackel schien weiter weg zu sein als auf dem Hinweg, so als würde sie am Grund einer tiefen Grube brennen.
Als wir bei dem neuen Haus ankamen, sagte er zu mir: Du hast dich erbrochen. Schlaf am Feuer! Du kannst dich am Morgen waschen.
Ich rollte mich neben der Feuerstelle zusammen. Einen Moment lang war ich traurig, daß du und er in andere Zimmer verschwanden, aber die Glut war warm, und schon bald sank ich in den Schlaf.
Wenn ich zurückblicke auf die folgenden ein oder zwei Jahre, sehe ich die Welt hart werden wie nasser Lehm in der prallen Sonne. Obwohl die Welt meiner früheren Kindheit langweilig wirkte verglichen mit dem vielen Neuen, das mit euch kam, erkenne ich jetzt, daß sie etwas Fließendes gewesen war, in stetem Wandel begriffen und nur von wenigen gleichbleibenden Umständen geprägt: dem Atem meiner Mutter, ihrem trockenen, salzigen Geruch, den mit dunkler Erde verputzten Wänden unserer Hütte. Jeden Tag war ich mit der Frage wach geworden, was mir die Sonne bescheren würde. Jede Nacht, wenn meine Mutter nahebei murmelte und schnarchte, hatte ich mir mit träger Zufriedenheit überlegt, was wohl der nächste Tag bringen mochte.
Doch nach der Fertigstellung des neuen Hauses verfestigten sich meine einst so formlosen Tage unter Prosperos starken Willensstrahlen. Aus dem Bach mußte Wasser zum Trinken, Waschen, Kochen und vor allem für die merkwürdigen Experimente deines Vaters geholt werden. Auch Holz war nötig: Die Feuer vor dem Haus, im Hauptraum und natürlich in seiner Arbeitsstube durften niemals ausgehen. Das Beil, das er mir vor so vielen Monden gegeben hatte, war zu dem Zeitpunkt schon öfter geschärft worden, als ich an meinen schwieligen Fingern und Zehen abzählen konnte.
Anfangs bat Prospero mich, diese Dinge aus Gefälligkeit zu tun, als eine Freundlichkeit meinerseits, die ihm mehr Zeit gab, um Blätter und Samen zu sammeln oder sich deiner Unterweisung zu widmen. Doch als diese Verrichtungen durch ständige Wiederholung und das Verstreichen der Zeit zur Gewohnheit geworden und nichts Besonderes mehr waren, begann er, jedes kleine Versehen oder Versäumnis zu ahnden.
Eine Zeitlang war ich von
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