Die Insel des Magiers
umgefallen wäre. Doch das Schicksal hatte mir ein längeres Leiden zugedacht.
In jener Nacht gab es ein großes Fest. Ariel zauberte ein Bankett herbei, aber da ihn nur noch Stunden von der Freiheit trennten, weiß ich nicht, wieviel Aufmerksamkeit der Höllengeist auf sein Werk verwandte. Einige der Speisen verblaßten zu undeutlichen Schemen und verschwanden schließlich ganz, bevor sie verzehrt werden konnten. Was den Rest des Mahles betrifft, darf man sich wohl fragen, wie sättigend es gewesen sein mag.
Mir war das ohnehin alles gleichgültig. Prospero wollte, daß ich bediente, doch ich dachte gar nicht daran. Nachdem Stephano und Trinculo von ihrem undankbaren Herrscher als Aufrührer in Ketten gelegt worden waren, kümmerte ich mich nicht länger darum, was geschah, und lag den ganzen Abend wie tot vor der Haustür und weigerte mich aufzustehen. Prospero zürnte mir, doch verzichtete darauf, mich von Ariel zur Dienstbarkeit zwingen zu lassen. Vielleicht wollte er seinen neuen Verbündeten lieber nicht vorführen, mit welchen Mitteln er seinen Willen gewöhnlich durchsetzte.
Du, Miranda, du hingst mit den Augen an deinem neuen Galan, diesem widerlichen Prinzlein, mit dem dein Vater dich vermutlich schon lange hatte verkuppeln wollen. Ferdinand begrabbelte deinen Hals und fütterte dich mit seinen eigenen Fingern – eine Zärtlichkeit, die zweifellos von nur geringfügig längerer Dauer war als Ariels Speisen –, während dein Erzeuger freudestrahlend zuschaute. Gonzalo, der einstige Spießgeselle deines Vaters, der jetzt wieder zu Ehren gekommen war, brachte einen Trinkspruch nach dem anderen auf Prospero wie auf Alonso aus und flehte zum Himmel, die alten Wunden zu heilen und der Verbindung zweier so edler Familien hold zu sein.
Und alle stehen sie auf meinem Nacken, stöhnte ich im Schatten. Ban, Ban, Kaliban.
Am Ende des Mahles flog Ariel – der immer noch allen außer mir und Prospero unsichtbar war, da du nur Augen für Prinz Käseweiß hattest –, auf das geflüsterte Kommando deines Vaters zum Himmel auf.
Seht her! rief dein Vater laut. Die letzte Probe meiner Zauberkunst, aber nicht die geringste! Er schwenkte seinen Stab.
Auf der Stelle sauste ein Feuerstreif über das Antlitz des Mondes, verbreiterte sich zu einer lodernden Fläche und nahm sodann die Gestalt eines Schiffes an. Das Schiff des Königs, mit Flammenlinien umrissen, brannte am samtigen Nachthimmel, schaukelnd und schlingernd, als wollte es jeden Augenblick untergehen.
Wunder über Wunder! schrie Alonso. Das ist das getreue Abbild des Sturms, der unser Schiff zum Scheitern brachte.
Das feurige Schiff versank in brennenden Wellen, und winzige Flammengestalten schwammen davon weg. Dann löste sich das Ganze vor den Augen der fassungslos gestikulierenden Zuschauer in einen Funkenregen auf. Erst als die letzten leuchtenden Tropfen verglüht waren, sahen wir einen großen Glanz über die Bäume steigen, ein ruhigeres Strahlen, das vom Meer tief unter uns zu kommen schien.
Was ist das, Herzog Prospero? rief der junge Ferdinand und zog dich mit theatralischer Beschützerpose an sich. Hat Euer Feuerzauber den Wald in Brand gesteckt?
Folgt mir, und Ihr werdet sehen, antwortete dein Vater und ging voraus, den Stab, der plötzlich an der Spitze brannte, wie eine Fackel hochgehalten.
Die Gesellschaft erhob sich und kam hinterher. Ich wäre an Ort und Stelle liegengeblieben, da ich keinerlei Bedürfnis verspürte, noch mehr zu sehen, und im stillen hoffte, im Wald sei tatsächlich ein Feuer ausgebrochen, das mich und alle anderen und die ganze Insel alsbald zu Asche verbrennen werde. Aber natürlich wollten Ariel und Prospero, daß alle zu Zeugen ihres krönenden Triumphs wurden, und so wurde ich flugs von unsichtbaren Beißern im Gefolge der anderen den Hügel hinuntergetrieben.
Am Strand blieben wir stehen, und alle außer mir blickten von Ehrfurcht und Schrecken ergriffen aufs Meer, in dessen Tiefen ein großes perlmuttgrünes Licht leuchtete, als ob dort unten die Sonne neu geboren werden sollte. Das Leuchten breitete sich aus. Auf einmal wogte das Wasser gewaltig auf, und das echte Schiff des Königs stieg nach und nach vom Grund empor, bis es zuletzt auf den Wellen schaukelte. Meeresblut lief in Strömen daran herunter. Blaues Feuer sprang von Mast zu Mast. Hier und da hing eine wachsweiße Leiche in der Takelage.
Euer Schiff ist geborgen, teilte Prospero dem König mit und verneigte sich wie einer, der jemandem einen
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