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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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das Badewasser des Papstes.«
    »Aber ich bin sicher«, parierte Noria, »es gäbe Christen, die davon sehr gern etwas hätten.«
    »Ja, das stimmt vielleicht sogar«, gab Paula zu und war erstaunt, sich in einem Gespräch mit Noria wiederzufinden. Du hast es ja noch nie versucht, wisperte ihre innere Stimme, und ausnahmsweise fand Paula, dass sie recht hatte.
    »Ganz egal, welcher Religion unsere Ranavalona II. anhängt, es käme zu schrecklichen Unruhen, wenn unsere Königin die Gesetze unserer Vorfahren nicht achten würde. Und zu Recht, denn wer wären wir, ohne unsere Ahnen?«
    Die Mädchenkarawane war verschwunden, das Stimmen gemurmel wurde ständig leiser, und schließlich hörte man nur noch das Plätschern des Flusses.
    Noria und Paula liefen zurück zum Lager, wo sie auf Villeneuve stießen, der gerade eben seine Beinkleider zuknöpfte, erstaunt den Kopf hob und sie verblüfft ansah.
    »Tsara mandry!«, sagte Noria, »gute Nacht!«, und legte sich wieder auf ihre Matte am Feuer.
    »Mamofisa mamy! Träume süß«, antwortete Villeneuve, dann wandte er sich Paula zu. »Wo sind Sie gewesen? Das kann gefährlich werden.«
    »Ich wüsste nicht, warum.« Paula ärgerte sich über seinen Ton, der ihr unangemessen bevormundend vorkam. »Es gibt hier weder Raubkatzen noch Giftschlangen, und vor Gorillas«, sie versuchte ihm einen Blick zuzuwerfen, der ihm klarmachen sollte, wer hier der Gorilla war, »habe ich keine Angst. Was soll mir also schon passieren?«
    Villeneuve hob abwehrend seine Hände. »In Ordnung. Sie haben recht, es geht mich nichts an, dann also amüsieren Sie sich noch gut.« Er ging leise vor sich hin summend in sein Zelt und ließ Paula empört zurück. Immer musste er das letzte Wort haben. Nur morgen noch, dachte sie, nur noch morgen, dann muss ich ihn nie wieder sehen.
    An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken, aber kostbares Petroleum wollte sie auch nicht verschwenden. Also tastete sie nach der Truhe mit den Duftölen, klappte den Deckel auf und holte das Ledertäschchen mit den Ölen heraus, von denen sie wusste, dass sie sie beruhigen würden.
    Paula hatte zwar erst nach ihrem denkwürdigen vier zehnten Geburtstag damit angefangen, ihre Nase zu schulen, aber es war zum Glück noch nicht zu spät gewesen, viel leicht war ihre empfindliche Nase auch ein Erbe ihrer Groß mutter. Ihr Vater hatte sie unterstützt und über sein Kontor Duftöle besorgt, bis Paulas Zimmer voller Fläschchen mit den verschiedensten Extrakten war. Nie zuvor hatte sie darüber nachgedacht, wie der Duft aus den Pflanzen in die Öle oder Seifen kam, und sie begann sich mit der Extraktion von Duft zu befassen und war fasziniert von dieser neuen Welt, die sich ihr auftat. Da gab es die Pressung, die Destilla tion, die Maceration, Absorption und Extraktion. Das Pressen war die einfachste Methode, die aber nur bei den frischen Schalen von Limonen, Pomeranzen, Zitronen und ver wandten Früchten infrage kam. Paula musste heute noch la chen, wenn sie daran dachte, wie einfach sie sich das vorgestellt hatte. Man konnte die Schalen nämlich nicht einfach mit einer Presse zusammenquetschen, sondern musste die Schwammmethode anwenden. Dazu wurden die Schalen mit Nadeln angeritzt und dann mit einem Schwamm abgerieben, der in ein irdenes Gefäß ausgedrückt wurde, und nach einiger Zeit setzte sich das so gewonnene Öl oben ab. Das hatte sie als Erstes selbst ausprobiert und war erstaunt darüber gewesen, wie lange es dauerte, bis man auch nur ein paar Milliliter Duftessenz erhielt.
    Als Nächstes hatte sie ihren Vater beschworen und immer wieder angefleht, ihr die Geräte zur Destillation zu beschaffen, und er hatte ihr nicht lange widerstehen können, was zu einem heftigen Streit mit ihrer Mutter geführt hatte, der sich über Wochen hinzog.
    Für die Destillation brauchte Paula Geräte zum Erhitzen und einen Dampftopf mit Kondensationsröhren und Auffangschalen. Die Blüten, Schalen, Samen oder Blätter wurden zerquetscht oder gepresst und dann mit kochendem Wasser übergossen. Hierdurch verbanden sich die flüchtigen Öle mit dem Wasser. Durch das Herunterkühlen setzte sich das Öl dann an der Oberfläche ab.
    Nach einem letzten Streit mit ihrer Mutter waren ihr Vater und sie darin übereingekommen, dass Paula zu Hause nicht mehr mit Parfüm hantieren sollte. Ihr Vater hatte in einer Abstellkammer seines Kontors ein winziges Laboratorium für sie eingerichtet, in dem sie sich ungestört mit Duftstoffen befassen konnte.

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