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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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eingetrichtert. Wie solltest Du da wissen, was Wahrheit und was Lüge ist. Aber ich schwöre Dir bei Gott, Le Thomas ist nicht Dein Vater.
    Du warst immer schon ein zartes, hübsches und sanftes Mädchen, doch was die Lehrer in der Missionsschule von Réunion aus Dir gemacht haben, war geradezu unfassbar. Du warst wie eine Puppe in ihren Händen, Du hast Jesus Christus in Deinen Kör per gesaugt wie Bienen den Nektar, warst durchdrungen vom Rein-sein-Wollen, vom Alles-richtig-machen-Wollen, von der Gewissheit, was gut und was böse ist.
    Heute kann ich das verstehen, es erscheint mir eine logische Reaktion auf all das, was Du bei den Piraten durchleben musstest, aber damals war dieses selbstgerechte kleine Mädchen für mich schwer zu ertragen.
    Vor allem nicht, nachdem es passiert war.
    Ich hatte damit begonnen, wieder an meinen Rezepten zu arbeiten, was die Pflanzer und Deine Lehrer natürlich für reine Zeitverschwendung hielten. Wer brauchte schon Seife, die duftete? Wer brauchte überhaupt Wohlgerüche? Wenn es wenigstens Katholiken gewesen wären, die wissen zumindest Weihrauch und Myrrhe zu schätzen. Ich weiß nicht, ob Du Dich erinnerst, aber ich hatte sogar angefangen, in der Bibel nach Stellen zum Thema Duft zu suchen, um meine kleine Heilige vom Nutzen des Wohlriechenden zu überzeugen, und war entzückt, als ich bei Sirach 24, Vers 15 fand:
    »Wie Zimt und Gewürzstrauch hauchte ich Wohlgeruch aus, und wie eine köstliche Myrrhe verbreitete ich Duft, wie Galbanum, Räucherklaue und Stakte und wie Weihrauchdampf in der Stiftshütte.«
    Wenn die Weisheit oder der Glaube an den Herrn mit Wohlgerüchen verglichen wurde, dann konnte das doch nicht so schlecht sein, oder?
    Aber noch viel überzeugender fand ich, was ich im Hohelied der Liebe gefunden hatte:
    »Wie schön ist deine Liebe, meine bräutliche Schwester, viel köstlicher ist deine Liebe als Wein, und deiner Salben Duft geht über alle Wohlgerüche!
    Von Honigseim triefen deine Lippen, meine Braut; Honig und Milch birgst du unter deiner Zunge, und deiner Gewänder Duft ist wie der Duft des Libanons!«
    Und fortan fragte ich mich, wie wohl der Duft des Libanons roch, und fing an zu experimentieren, und so hat alles begonnen.
    Es klopft an der Tür, ich muss aufhören und mein Gewehr holen, denn es gibt Gerüchte, dass Ranavalona I. ihr Volk zu einer tödlichen Hetzjagd gegen alle Christen aufgerufen hat. Für sie sind alle Weißen selbstverständlich Christen, und die sollen vernichtet werden. Noch fühle ich mich hier im Dorf sicher, denn ich habe vielen mit meinen ätherischen Ölen geholfen, allerdings habe ich damit Rakotovao, den Dorfältesten und Medizinmann des Dorfes, verärgert.
    Vorsichtshalber aber werde ich für Dich und Deine Kinder in den nächsten Stunden und Tagen alles aufschreiben und dafür sorgen, dass mein Brief, meine Rezepte und die Flakons Dich sicher erreichen, meine geliebte Tochter. Und es wird sich für Dich lohnen, meinen Brief bis zum Ende zu lesen, denn ich habe ein großes Geschenk für Dich, von dem ich hoffe, dass es Dich glücklich machen und für erlittenes Unrecht mehr als entschädigen wird.

5
    Bergamotte
    Citrus bergamus Risso, frisches, aus den reifen Früchten hergestelltes Öl ist von honiggelber Farbe und ungemein lieblichem, an Citronen und Orangen erinnernden, erfrischenden Geruch. Es ist gegen Licht, Luft und Wärme sehr empfindlich.
    P aula erwachte von einem merkwürdigen Geräusch, das
sie nicht einordnen konnte. Es klang weder nach einem Tier, noch war es bedrohlich, trotzdem beunruhigte es sie und weckte gleichzeitig ihre Neugier. Sie streckte sich, spürte die blauen Flecke von ihrem Sturz gestern, kroch barfüßig aus ihrer leinenen Decke, zog sich eine lange Safarijacke über und schlug die Zeltplane zurück.
    Es war angenehm warm und noch dunkel, aber die Wolkenschleier hatten sich verzogen, und der Halbmond leuchtete so hell, dass Paula das Lager gut überblicken konnte. Alles war ruhig, nur das Surren der Mücken war zu hören und das merkwürdige Geräusch, das sie geweckt hatte. Außer ihr schien niemand sonst wach zu sein. In den Zelten regte sich nichts, und direkt um das erloschene Feuer herum lagen Noria und die Träger in tiefem Schlaf.
    Paula lauschte angestrengt, um herauszufinden, von wo diese seltsamen Töne kamen. Vom Fluss. Paula ging zurück ins Zelt, schlüpfte in ihre Schuhe und schnürte sie fest zu, dann lief sie hinunter zum Fluss.
    Der Mond beleuchtete den Trampelpfad so

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