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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Bestandteile zersetzt.«
    »Wie haben Sie gemerkt, dass Sie so eine gute Nase haben?«
    »Das ist nur Übung.«
    Paula blieb stehen, schirmte Jo mit ihrer Hand ab und hielt dann ihr Gesicht in den Regen.
    »Machen Sie das auch mal.«
    Lázló sah sie belustigt an, dann wandte auch er sein Gesicht zum Regen hin.
    »Und was riechen Sie?«, fragte Paula.
    »Regen?«
    »Riecht dieser Regen wie zu Hause bei Ihnen in Ungarn?«
    »Nein, na gut, dieser Regen hier riecht süßer – oder nein, nicht süßer, doch irgendwie schon.« Er schnupperte jetzt wie ein nervöser Hund und brachte Paula zum Lachen.
    »Und wie riecht der Regen für Sie?«, fragte er.
    Paula kopierte sein Hundeschnuppern, legte dramatisch ihren Kopf zurück und ließ den Regen auf ihr Gesicht prasseln.
    »Grasig, erdig, bitter, mit einer Prise Ingwer, Engelwurz, Anis und fauligem Apfel. Obwohl dieser Regen so sanft daherkommt, ist er kriegerisch, er riecht wie eiserne Schilde, bildet graue Schlieren, die wie in einem Labyrinth angeordnet sind.«
    Er starrte sie an.
    Paula wurde rot. Sie hatte noch nie jemandem erzählt, dass sie manchmal Bilder zu Gerüchen malte. Sehr oft stiegen eindringliche, farbenprächtige Bilder in ihr hoch, wenn sie sich intensiv damit beschäftigte. Was es für sie nicht gerade leicht gemacht hatte, die Duftrezepte ihrer Großmutter umzusetzen. Für Paula war jeder einzelne Geruch schon ein ganzes Universum.
    »Dann wollen Sie wirklich zu diesem Vanillefeld?«
    »Ja, was denn sonst?« Paula war verblüfft. »Was zum Teufel hätte ich denn sonst hier zu suchen?«
    Lázló bückte sich und band seine nassen Schnürsenkel fest. »Wir sollten weitergehen«, murmelte er. »Ich habe Hunger.«
    »Lange kann ich nicht mehr laufen, ich habe jetzt schon wunde Stellen von den nassen Schuhen.«
    »Wir müssen wenigstens noch so weit, bis wir einen halbwegs trockenen Platz für die Nacht gefunden haben.«
    Der Regen hörte genauso plötzlich auf, wie er angefangen hatte.
    Paula stöhnte, aber dann setzte sie sich wieder in Bewegung, nicht nur sie war vollkommen durchnässt, auch Jo in ihrem Arm war nass bis auf die Haut. Er war wach und saugte unentwegt an der Süßholzwurzel. Paula fragte sich, wann er es aufgeben und nach Nahrung verlangen würde. Jo war wirklich ein friedliches Kind, oder spürte er ganz einfach, dass es sinnlos wäre, zu weinen?
    »Alles in diesem verdammten Urwald ist nass«, fluchte Lázló, nachdem sie durch immer tiefere Pfützen gewatet waren, und sprach Paula damit aus vollem Herzen.
    Die Sonne war hervorgebrochen, ließ das Wasser von den Blättern verdampfen und verwandelte die feuchte Luft in schwüle Hitze. Wie hatte ihre Großmutter das nur alles durchgestanden?
    »Ist das auch wirklich der richtige Weg? Müssten wir die anderen nicht längst eingeholt haben? So weit können sie doch noch nicht gekommen sein. Nicht mit all dem Gepäck in diesem Matsch!«
    »Es ist der richtige Weg.« Paula blieb stehen. »Ich kann auch nicht mehr, wenn es keinen trockenen Platz gibt, dann müssen wir uns eben etwas einfallen lassen. Vielleicht bauen wir uns aus Palmblättern eine Unterlage und ein Dach?«
    »Natürlich, und dann erlegen wir noch einen Bären, ziehen ihm das Fell ab, legen uns darauf, machen ein prächtiges Feuer, grillen ihn und trinken eine ordentliche Flasche Rum.«
    »Heute wäre wirklich ein guter Tag für Rum«, seufzte Paula.
    Jo spuckte das Hölzchen aus und begann zu schreien.
    »Ein wirklich sehr guter Tag für Rum.« Paula versuchte Jo durch schaukeln zu beruhigen, aber er ließ sich nicht besänftigen. Er wurde immer lauter und war knallrot im Gesicht.
    »Wir müssen irgendwas tun.« Paula sah hilflos zu Lázló.
    »Nicht irgendwas, er braucht einfach nur etwas zu essen.«
    »Aber wir haben nichts.«
    Jos Gebrüll schallte durch den Dschungel, und Paula fühlte sich erbärmlich. Seine Händchen waren zu Fäusten geballt, und seine Arme zitterten, während Tränen über sein Gesicht liefen.
    Sie hatte nur ihre Öle und Essenzen im Sinn gehabt, und nur deshalb musste dieses Kind so leiden. Lázló hatte auch nicht an Essen gedacht, niemand hatte daran gedacht. Jos Schreien war zermürbend, es musste aufhören, ihre Nerven lagen blank.
    Ihre Öle. Vanille.
    »Geben Sie mir meine Sachen, bitte.«
    Lázló schnitt fünf große Palmblätter ab, schüttelte die Tropfen herunter und legte sie auf den nassen Boden, dann erst legte er ihr Bündel auf die sauberen, glatten Blätter.
    Paula war ihm dankbar, dass

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