Die Insel des Mondes
verspielt.«
»Verspielt. In Nosy Be?«
Lázló nickte. »Aber das war noch nicht genug für meine Schulden, und deshalb habe ich mit der schlimmsten Prügelei meines Lebens dafür bezahlt. Ich sollte Villeneuve dankbarer sein, dass er mich unter seine Fittiche genommen hat, weil ich zu Hause schon fast das ganze Vermögen unserer Familie verspielt hatte. Ich bin ein Spieler und ein Betrüger.« Er zuckte mit den Schultern, dann grinste er sie breit an. »Ich habe immer alles bekommen, was ich wollte, die Frauen lieben mich, sogar manche Männer. Die einzige Her ausforderung, die es für mich gab, war spielen und wetten.«
»Entschuldigen Sie, aber warum hat Villeneuve Sie denn dann mitgenommen?«
»Neben meinen anderen Talenten verstehe ich mich aufs Zeichnen. Jedoch …« Seine Miene verdüsterte sich, was so ein ungewohnter Anblick war, dass Paula noch neugieriger wurde.
»Ja?«
»Wir waren füreinander wie geschaffen. Villeneuve hatte Mitleid mit mir, und ich hatte Mitleid mit ihm.«
»Mitleid?« Ich höre mich an wie ein Papagei, dachte Paula, aber sie war verblüfft angesichts dieser Enthüllungen.
Warum um alles in der Welt sollte jemand Mitleid mit Villeneuve haben?
»Wir haben sie beide sehr geliebt, und trotzdem haben wir zugelassen, dass sie stirbt.« Lazlo gab sich einen Ruck. »Wir müssen jetzt los!«
Er reichte Jo an Paula weiter und wirkte so abweisend, dass sie sich nicht traute nachzufragen, wer da gestorben war und warum. Dann baute er das Moskitonetz ab, packte alles, auch Paulas Sachen, zu einem großen Bündel zusammen und warf es sich über die Schulter, während Paula sich darum bemühte, ihre Spuren zu verwischen, indem sie tote Blätter und Rindenstücke auf ihren Schlafplatz warf, dann machten sie sich auf den Rückweg.
Paula ging voran und überlegte, welchen Mensche n Ville neuve und Lázló gleichzeitig geliebt haben könnten, aber ihr wollte niemand einfallen, der zu zwei so verschiedenen Männern gepasst hätte, allenfalls eine Mutter vielleicht.
Sie orientierte sich an Lázlós Geruch, und sie war froh, dass sie dieses Wegzeichen hatte, denn ohne dieses hätten sie niemals den Weg zurück gefunden. Nur ganz selten konnte man noch einen Fußtritt von gestern entdecken oder eine Schramme, die ihr Buschmesser an einem Stamm hinterlassen hatte. Obwohl sie sich solche Mühe gegeben hatten, Spuren zu hinterlassen, wirkte der Regenwald fast so, als wäre nie ein Mensch dort gewesen.
Paula hatte Jo mithilfe von Lázló auf ihren Rücken gebunden, was das Tragen sehr erleichterte, weil sie beide Hände zum Klettern und Festhalten frei hatte. Zu ihrem großen Erstaunen fühlte sich das Bündel auf ihrem Rücken nicht wie eine Last an. Ab und zu gab Jo ein paar Laute von sich, die Paula zum Lächeln brachten, auch wenn sie große Angst hatte, ihre Verfolger könnten sich irgendwo still auf die Lauer gelegt haben. Deshalb marschierten sie so lautlos wie möglich und unterhielten sich nicht, und wenn, dann flüsterten sie nur.
»Ich glaube, hier war ihr Nachtlager«, wisperte Lázló schon nach überraschend kurzer Zeit und zeigte nach rechts, wo Paula dann auf den zweiten Blick ein kleines Aschehäufchen erkannte.
»Aber man kann nicht erkennen, wohin sie von hier aus weitergegangen sind, oder?« Paula sah sich unbehaglich um und fühlte sich beobachtet. »Ist das hier eine Falle? Spüren Sie das auch?«
Lázló blieb ganz dicht bei ihr stehen. »Ja«, flüsterte er, »hier muss etwas passiert sein, aber was?«
Paula spähte in die Runde, kniff die Augen zusammen, um deutlicher zu sehen, aber da waren dicht an dicht nur graurosa Baumstämme, grüne Blätter und Büsche, beige, graue und grüne Schlingpflanzen und einige wenige braunrosa Blüten, die sich um einen toten, aber noch stehenden dicken Stamm wanden, der innen halb ausgehöhlt war. Dort, in dem Stamm war etwas. Sicher nur eine Wurzel, jedenfalls kein Mensch. Und Gott sei Dank kein Säugling.
»Kommen Sie mit, ich glaube, ich habe da drüben in dem Stamm etwas entdeckt.« Allein wäre Paula nicht hinübergegangen, sie wollte nie wieder etwas finden, von dessen Anblick man Albträume bekommen konnte.
Lázló nahm ihre Hand, was Paula sehr beruhigend fand, dann liefen sie zu dem dunkelbraunen Stamm hinüber, sahen sich dabei aber ständig wachsam um.
»Was in aller Welt …?« In diesem Moment erkannte Paula, was da lag, und eine Gänsehaut lief über ihren Rücken, obwohl der von dem kleinen Jo gut gewärmt
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