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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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er keine Fragen stellte, schließ lich wusste sie nicht, ob es funktionieren würde. Sie suchte die Vanille, deren Duft sie immer als warm und sättigend empfunden hatte. Sie öffnete das Fläschchen und kam sich unsagbar albern vor, hier mitten im Regenwald einem schreienden Säugling Vanille unter die Nase zu halten. Sie schloss die Augen, als sie den vertrauten Geruch wahrnahm, und sog ihn tief ein, als müsste sie dem Kleinen ein Beispiel geben, aber das war nicht nötig. Das Gebrüll ebbte ab.
    Sie hielt das Fläschchen weiter unter seine Nase, schaukelte ihn sanft hin und her und murmelte Worte, von denen sie nicht wusste, woher sie kamen. »Schlaf, mein Kleiner, Jo-Jo, mein Prinzchen, Jo, alles wird gut, alles, alles wird gut. Hörst du mich, Jo-Jo, du kannst jetzt nicht sterben, ich habe dich gerettet. Wir werden dich durchbringen, dieses Leben hat dir etwas zu geben, Jo, du kleiner Mann.« Als seine winzigen Lider sich flatternd senkten und dann schließlich schlossen, hatte Paula Tränen in den Augen – sie hatte es geschafft. Und in diesem Augenblick wusste sie, dass sich auch in ihr etwas verändert hatte.
    Sie verstöpselte das Fläschchen und verstaute es in ihrer Rocktasche, für den Fall, dass er aufwachen und sie es bald wieder brauchen würde.
    »Was für eine Droge war denn das?«, fragte Lázló spöttisch, ging einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand aus. »Davon hätte ich auch gern etwas.«
    »Das war keine Droge, nur Vanille.«
    »Ich habe mich in Ihnen getäuscht, es war unverzeihlich, dass ich Sie gestern unnatürlich genannt habe.«
    Paula wartete auf die vertraute Reaktion auf dieses Wort, aber sie kam nicht, es hatte keine Macht mehr über sie.
    »Sie sind eine ganz wunderbare Frau, mit der Gabe, andere satt zu machen. Ich bin ein Mann und habe auch Hunger.«
    Lázló trat noch näher zu ihr, was Paula verwirrte. Warum tat er das?
    Unwillkürlich hob sie Jo wie einen Schutzschild hoch. Lázló grinste. »Küsse können sehr satt machen.«
    »Was?« Warum kam er ihr jetzt so? Sie war sicher, dass er nicht wirklich an ihr interessiert war. Er hätte doch schon längst Annäherungsversuche machen können, aber sie hatten die ganze Nacht wie Bruder und Schwester nebeneinandergelegen. Also warum jetzt? Vielleicht war es wirklich der Hunger. Oder aber es war die Vanille, die ihm zu Kopf gestiegen war, ohne dass er sie wahrgenommen hatte, Vanille besaß starke sinnliche Untertöne.
    »Lázló, ich halte das für keine gute Idee, und Sie wissen das auch. Sie verwechseln mich mit Noria.«
    Er legte seinen Arm um sie und zog sie mit dem Kleinen im Arm fest an sich. »Unsinn, es würde uns beiden guttun, uns auf andere Gedanken bringen.«
    »Nein!« Sie boxte ihm mit all der Kraft, die sie noch hatte, mit der freien Hand in seine Brust und war überrascht, dass es ihr gelang, ihn wegzuschubsen. Er hatte nicht mit diesem Angriff gerechnet und, schlimmer noch, er verlor das Gleichgewicht und stürzte in den Matsch.
    Entsetzt starrte Paula ihn an. Mit überrascht aufgerissenen Augen lag der schöne Lázló jetzt mit Dreitagebart, nass und wütend und über und über mit Schlamm bespritzt zu ihren Füßen.
    Sie konnte nicht anders, nach einer Schrecksekunde stieg ein Kichern aus ihrem Bauch in ihre Kehle und wurde zu einem Lachen, schwoll an zu gewaltigem Gelächter. Ihre innere Stimme ermahnte sie, sofort mit dem Lachen aufzuhören. Aber sie konnte nicht, es war, als ob sich aller Wahnsinn, der Hunger, die Strapazen und die Hitze in ihrem Lachen entluden, und selbst wenn Lázló sie jetzt verprügeln würde, sie konnte nicht anders, sie lachte aus vollem Herzen.
    Lázló starrte sie zornig an, geradezu bösartig, aber dann verzerrte sich sein Gesicht, er grinste, seine Muskeln zuck ten, und schließlich musste auch er lachen. Paula reichte ihm ihre Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen, aber er zog sie voller Kraft zu sich in den Matsch. Sie wollte ihn empört anschreien, aber dann musste sie weiterlachen.
    »Es tut mir leid, Sie müssen keine Angst vor mir haben.« Lázló schnaufte und lachte immer noch. »Ich weiß nicht, was da eben über mich gekommen ist, aber als Sie den Kleinen beruhigt haben, sahen Sie plötzlich aus wie eine höchst begehrenswerte und verführerische Göttin. Es muss der Hunger sein, da wird man zum Wolf.«
    Verführerisch! Paula betrachtete ihren Rock, der nass und vollgesogen von der rotbraunen Erde an ihren Beinen klebte, dann stellte sie sich vor, wie ihr Gesicht

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