Die Insel des Schreckens
sich vor und hieb mit dem Holz auf die Griffe der ersten Messer, die er von seinem Standplatz noch erreichen konnte. Er rammte die Klingen noch tiefer in das Deck.
Ein erster Ausläufer der kochenden Masse erreichte Mythors Stiefel. Das Leder schmorte, der Pelzbesatz wurde versengt. Kleine Rauchwölkchen stiegen auf und verbreiteten einen scharfen, beißenden Gestank.
»Er ist verloren!« schrie Kalathee. Ihre gellende Stimme übertönte den Sturm und das Unwetter.
Mythor hob den angesengten Fuß und setzte ihn vorsichtig auf den Griff des Messers. Der Knauf drückte sich in die Sohle, aber das Messer hielt. Mit der Planke stützte sich Mythor ab und setzte den zweiten Fuß auf das nächste Messer. Mit dem linken Arm ruderte er in der Luft, um das Gleichgewicht zu halten. In diesem Augenblick schlug die Masse über seinem letzten Standplatz zusammen und versengte das Holz der Planken.
»Es gelingt!« jubelte Sadagar.
Mit schnellen, präzisen Schritten lief Mythor über den Steg aus Wurfmessern. Unter ihm brodelte der gelbe Schleim. Hitze strahlte zu Mythor auf, bläuliche Flämmchen leckten um den unteren Teil seiner Stütze, sie verkohlte, wurde brüchiger und kürzer.
Nur noch zwei Schritt hatte Mythor bis zum Bug zurückzulegen, als das Deck unter ihm nachgab. Die Masse hatte die Schiffsplanken so stark verkohlt, dass sie das Gewicht des Mannes nicht mehr tragen konnten.
Ein hässliches Knirschen kündigte den Einsturz an. Im nächsten Augenblick gab das Messer unter Mythors rechtem Fuß nach. Es wurde durch das Deck gedrückt und polterte in das Schiffsinnere.
Mythor warf beide Arme in die Luft. Er versuchte sich noch auf dem linken Bein zu halten. Mit letzter Kraft rammte er sein Stützholz in die Masse, drückte sich ab und warf sich nach vorn. Sein Knie streifte die heiße Masse. Ein furchtbarer Schmerz durchfuhr sein Bein. Deutlich nahm er den Geruch nach verschmortem Fleisch wahr. Kalathee schrie auf. »Mythor!« brüllte Sadagar verzweifelt. Dann umklammerte Mythor mit beiden Händen die Reling, die spitz am Bug zusammenlief.
Das Holz war feucht und kalt, Mythor presste fest seine schweißnasse, heiße Stirn dagegen. Seine Brust hob und senkte sich schnell, aber ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung durchzog seinen Körper.
Hier gab es keine brodelnde, kochende Masse mehr. Alton, das Gläserne Schwert, war ein unüberwindlicher Wall gegen den gelben Schleim des magischen Regens.
*
Sicher lag der Griff des Gläsernen Schwertes in Mythors Hand. Die Klinge sang ihr klagendes Lied, während Mythor auf die zähe Schleimmasse einschlug. Nottrs Krummschwert hatte gegen die Gallerte nichts ausrichten können, doch die Schneide der leuchtenden Waffe zerschnitt die Masse wie nassen Lehm.
»Hierher, Mythor!« schrie Sadagar.
»Es hat uns erreicht«, ergänzte Kalathee.
Der Steinmann stand auf dem Bündel aus zusammengerollten Tauen und hatte den Arm schützend um Kalathee gelegt. Der Schleim nagte an den unteren Seilen und hatte sie teilweise bereits in Brand gesetzt. Noch wurden Sadagar und die Frau von dem kleinen Hügel aus Tauen geschützt, aber in wenigen Augenblicken würden sie in der brodelnden Masse versinken.
Mit kreuzweisen, schnellen Hieben schlug Mythor eine Gasse in den Schleim. Gelbe Klumpen flogen zischend durch die Luft. Doch sobald Mythor vorbei war, schloss sich die Masse wieder und verband sich von neuem.
Mythor befreite Sadagar und Kalathee und bahnte ihnen einen Weg zum Heck des Schiffes, das noch frei war.
»Wo ist Nottr?« fragte der Steinmann.
»Er ist eingebrochen«, antwortete Mythor.
»Ist... ist er...?« fragte Kalathee stockend.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Mythor.
Das Tosen des Sturmes nahm ständig an Heftigkeit zu. Es schien fast so, als ob das Unwetter bisher nur mit halber Kraft auf die Kurnis und deren Besatzung eingestürmt sei. Waagerecht fegte der Regen über das Deck. Ständig brachte er neuen Schleim mit sich. Der Wind riss an der Kleidung der Menschen und wühlte in den Haaren Kalathees.
Von Horizont zu Horizont war der Himmel tiefschwarz geworden. Das einzige Licht in diesem Inferno kam von Mythors leuchtendem Schwert und dem schimmernden, heißen Schleim.
Die Masse zog sich zusammen und türmte sich zu einem wabbeligen, mannshohen Gebilde auf. Am oberen Teil bildeten sich Fäden, wie die Fangarme eines Polypen. Sie bewegten sich wellenförmig und tasteten in der Luft. Fließend näherte sich die leuchtende Erscheinung den drei
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