Die Insel des Schreckens
Menschen.
»Es greift an«, flüsterte Kalathee. Fast gleichzeitig spürte Mythor brennend heiß den ersten Fangarm an seiner Schulter. Schleimig und stinkend legte er sich ihm um den Hals. Die Masse hatte eine plötzliche Zähigkeit gewonnen, die Mythor überraschte.
Er wirbelte herum und führte einen waagerechten Streich mit Alton aus. Es traf das Gebilde in der Mitte und durchtrennte es. Sofort bildeten sich aus dem Stumpf neue Arme.
Der abgeschnittene Teil um Mythors Hals gewann ein Eigenleben und wand sich wie eine Schlange.
Mythor fasste sein Schwert am Griff und an der Spitze und schabte die brodelnde Masse von seinem Körper. Die abgetrennten Stücke schleuderte er in das tobende Wasser des Meeres.
Immer neue Wesen bildeten sich und näherten sich dem Rest der kleinen Besatzung mit langsamen Bewegungen. Mythor stand vor Sadagar und Kalathee und schützte sie mit schnellen Streichen. Jeder Hieb zerschnitt mindestens einen der schleimigen Fangarme, aber die abgetrennten Stücke flossen auf dem Deck zurück, verschmolzen und formten sich zu neuen Wesen.
Die Klumpen, die auf Alton klebenblieben, schleuderte Mythor mit kraftvollen Schwüngen ins Meer. Wenn sie die Oberfläche berührten, zischte es auf, und gelbe Nebelschwaden wehten über die Wellen. Sie wurden vom Sturm ergriffen und davongeweht.
»Sie lösen sich auf!« rief Sadagar und versuchte mit seiner hellen Stimme das Donnern des Infernos zu übertönen. »Nicht das Wasser verdampft, wenn sie ins Meer fallen, sondern der Schleim!«
Mythor konnten den Steinmann nicht verstehen. Er bemerkte lediglich mit einem schnellen Seitenblick die aufgeregten Gesten Sadagars. Er ahnte, was der Steinmann wollte.
Mythor änderte seine Taktik. Stückeweise trennte er die Fangarme aus der Masse. Noch bevor sie zurückfließen konnten, spießte er sie mit Alton auf und warf sie ins Meer.
Sadagar lachte und klatschte in die Hände. »Ertränk sie, vernichte sie!« brüllte er, und der Sturm riss ihm die Worte von den Lippen und trug sie in die Finsternis.
*
Ein schwacher Wind blies von Süden her. Flache, sanfte Wellen spielten um den Bug des Schiffes; die Kurnis trieb auf einer leichten Dünung. Das Wasser wirkte tiefblau, die Sonne sandte warme Strahlen, und über allem spannte sich ein friedlicher Himmel.
»Es ist vorbei«, murmelte Sadagar.
Mythor stand in der Mitte des Schiffes, den Griff des Schwertes noch immer fest umschlossen. Seine Haut über dem Knie, an manchen Stellen des Armes, der Hand und des Gesichts war gerötet und wirkte verbrannt. Sein Haar war nass und hing ihm strähnig und wirr in die Stirn. Seine hellen Augen funkelten. Er hielt die Lippen fest zusammengepresst. Gleichmäßig hob und senkte sich seine Brust.
Kalathee trat von hinten an Mythor heran und legte ihren Arm um seine Hüfte. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und schloss die Augen. So blieb sie wortlos stehen und genoss das sanfte Wiegen der Wellen.
Mit dem letzten Klumpen, den Mythor in das tosende Meer geschleudert hatte, war das Inferno des magischen Regens von einer Sekunde auf die nächste erstorben. Die gelben Wolken innerhalb des kreisenden dunkelroten Ringes waren explodiert und in alle Richtungen zerstreut worden. Die nachtdunkle Schwärze des Himmels war aufgerissen, der Sturm abgeflaut, und das Wasser des Meeres hatte die blutrote Farbe verloren. Die Gewalten hatten sich wieder beruhigt.
Zurückgeblieben war nur ein Schiff ohne Segel und mit einem fast völlig zerstörten Deck. Die Planken waren verkohlt und an vielen Stellen eingebrochen. Steuerlos trieb die Kurnis vor dem südlichen Wind.
Vorsichtig darauf bedacht, sein Gewicht möglichst gleichmäßig zu verteilen, kroch Sadagar über die morschen Planken des Bugs und sammelte seine Wurfmesser wieder ein. Erwischte die geschwärzten Klingen sorgfältig sauber und schob sie zurück in seinen breiten Ledergürtel. »Eins fehlt«, murmelte er.
Die brüchigen Lederscharniere der vorderen Luke knirschten, als die Klappe von innen aufgestoßen wurde. Kurz darauf erschien Nottrs Kopf über dem Rand.
Das Gesicht des Lorvaners war rußgeschwärzt. Sein Zopf hatte sich zum Teil aufgelöst, und lange Haarsträhnen wehten ihm um die Schultern. Mit einer Hand hielt er sich die linke Gesichtshälfte. Sie war geschwollen und an der Stirn aufgeplatzt. Nach seinem Sturz war er im Inneren des Schiffes aufgeschlagen und hatte die Besinnung verloren.
Das Gesicht des Lorvaners verfinsterte sich, als er Mythor und
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