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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Nächte lang auf die Erde regnen, sagt die Bibel, und die Wasser stiegen auf der Erde, bis sie die höchsten Berge bedeckten, und sie gingen sogar noch fünfzehn Ellen über die höchsten Berge, und so bedeckten sie die Erde hundert und fünfzig Tage lang. So weit, so gut.
    »Aber hastu einmal versucht, den Regen aufzufangen? Esregnet den gantzen Tag, und am Abend hastu grad eine Handbreyt am Boden der Tonne! Und thäts auch eine gantze Woche lang regnen, hättst du die Tonne kaum voll! Und nun stell dir vor ein Ungeheuerlich Grossen Regen, dem du würcklich nicht kanst standhalten, der gantze Himmel ergeußet sich über dein armes Hauppt, ein Regen, schlimmer als das Unwetter, in dem du Schiffpruch erlitten ... Und doch, in vierzig Tagen non est possibilis , ohnmöglich kanstu die gantze Erden bis zu den höchsten Bergen vollregnen!«
    »Soll das heißen, dass die Bibel gelogen hat?«
    »Nein! Gewiß nicht! Aber ich muß demonstriren, woher Gott all das Wasser genommen, das unmöglich hat bloß vom Regen kommen können! Das genüget nit als Erklärung!«
    »Also was dann?«
    »Also dumm bin ich nicht, stultus non sum . Pater Caspar hat gehabt einen Gedancken, den noch nie nicht kein menschlich Wesen gedacht. Erstlich hat er die Bibel gründlich gelesen, und die Bibel sagt, daß Gott zwar alle Katarakte des Himmels hat auffgethan, aber auch auffbrechen lassen alle Brunnen der Tieffe, die Fontes Abyssi Magnae , Genesis sieben, elf. Nachdem die Sintflut vorbey war, hat er die Brunnen der Tieffe wieder verstopffet, Genesis acht, zwei. Was aber sind nun diese Brunnen der Tieffe?«
    »Was sind sie?«
    »Die Wasser in der Tieffe des Meeres! Gott hat nicht nur den Regen genommen, sondern auch die Wasser der tieffsten Meerestieffen und hat sie auf die Erde geschüttet! Und er hat sie hier fortgenommen, denn wann die höchsten Berge der Erden umb den Ersten Meridian herumbliegen, zwischen Jerusalem und der Insel des Eisens, so müssen die tieffsten Abyssi des Meeres gewißlich hiero seyn, wegen der Symmetria.«
    »Ja, schon, aber die Wasser aller Meere des Planeten genügen nicht, um die höchsten Berge zu bedecken, sonst würden sie es ja immer tun. Und wenn Gott die Wasser des Meeres auf die Erde gegossen hat, hat er zwar die Erde bedeckt, aber das Meer ausgeleert, und das Meer ist ein großes leeres Loch geworden, und Noah ist mit der ganzen Arche hineingefallen ...«
    »Da sagst du etwas sehr Richtiges. Mehr noch: wann Gotthätt genommen das gantze Wasser der Terra incognita und hätt es auf die Terra cognita gossen, ohne daß darvon etwas wär zuruckblieben in dieser Hälften der Erde, dann hätt sich der Erden gesammtes Centrum Gravitatis verschoben, und sie wär villeicht in den Himmel gesprungen wie ein Ball, dem du einen Fußtritt versetzest.«
    »Also was dann?«
    »Also versuch du einmal zu dencken, was du würdest thun, wann du wärest Gott.«
    Roberto erwärmte sich für das Spiel. »Wann ich wär Gott«, sagte er (denn ich nehme an, dass Pater Caspars eigenwillige Sprache allmählich auf ihn abzufärben begann), »erschüfe ich mir ein neues Wasser.«
    »Du vielleicht, aber nicht Gott. Gewiß kann Gott creare aquam ex nihilo , aber wann er das Wasser geschaffen hat, wohin thut ers dann nach der Sintflut?«
    »Nun, dann hatte Gott eben seit Anbeginn der Zeiten eine große Wasserreserve unter dem Abgrund der Tiefe, verborgen im Innern der Erde, und die hat er bei der Gelegenheit hervorgeholt beziehungsweise hat sie aus den Vulkanen hervorsprudeln lassen. Sicher ist das gemeint, wenn wir in der Bibel lesen, dass er die Brunnen der Tiefe geöffnet hat.«
    »Glaubstu? Aber aus den Vulcanes kömmt Feuer hervorgesprudelt. Das gantze Erd-Innerste, das Hertz des Mundus Subterraneus ist eine grosse Feuermasse! Wann aber innen Feuer ist, kann innen kein Wasser nit seyn! Wann dorten Wasser wär, müßten die Vulcanes Fontänen seyn.«
    Roberto ließ nicht locker: »Also, wenn ich Gott wär, ich würde das Wasser aus einer andern Welt nehmen, wo es doch so unendlich viele davon gibt, und würde es auf die Erde kippen.«
    »Du hast wol in Paris jene Atheisten gehört, die von unendlich vielen Welten faseln. Aber Gott hat geschaffen nur eine eintzige Welt, und die genüget zu Seinem Ruhme. Nein, denck besser nach: Wann du keine unendlich vielen Welten hast und keine Zeit, sie extra wegen der Sintflut zu machen und sie dann hinterher wieder ins Nichts zu werffen, was thust du dann?«
    »Also dann weiß ich wirklich nicht

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