Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
sieunterwegs beobachte, ergäben sich endlose Fehlermöglichkeiten. Aber wie stehe es mit denen, die man vom Land aus beobachte?
»Wir brauchen viele Observatores an vielerley Orten der Welt, die bereitwillig cooperiren zum Höheren Ruhme Gottes, ohne einander gegenseitig auß Neyd und Missgunst zu behindern. Hör zu: Anno Domini 1612, am 8. November, registriret der hochwürdigste Pater Iulius de Alessis in Macao eine Mondfinsternuß von Acht Uhr Dreißig des Abends biß Elf Uhr Dreissig bey Nacht. Er teilt es dem hochwürdigsten Pater Carolus Spinola mit, der selbigen Abends in Nangasaki, laponia, selbige Finsternuß hat umb Neun Uhr Dreissig gesehen. Und zu Ingolstadt hatte Pater Christopherus Schneider ebendieselbige Finsternuß schon des Nachmittags umb Fünfe gesehen. Die Differentia von einer Stunden macht fünfzehn Meridian-Grade, und folglich ist dieß die Distantia von Macao nach Nagasaki, nicht sechzehn Grade und zwanzig Strich, wie Blaeu sagt. Verstanden? Freylich, bey diesen Erhebungen muß man sich hüten vor Nebel und Dunnst, man braucht gute Horologia, man darf nicht den genauen Initium totalis Immersionis verpassen, und man muß die richtige Mitten einhalten zwischen Initium und Finis Eclipsis, man muß observiren die Momentes intermedies, darinnen die Flecken sich verdunckeln, et cetera. Wann die Orte weyt voneinander entfernet liegen, macht ein kleyner Fehler kein grossen Unterschied, doch wann die Orte nahe beyeinander liegen, macht ein Irrthum von wenigen Minuten eine gewaltige Differentia.«
Abgesehen davon, dass in der Frage, wie weit es von Macao bis Nagasaki ist, Blaeu mehr recht haben dürfte als Pater Caspar (woran man sieht, was für ein wirklich verzwicktes Problem die Längengrade damals waren), war dies die Methode, mit der die Jesuiten, indem sie die Beobachtungen ihrer Mitbrüder in den Missionsstationen sammelten und verglichen, ein »Horologium Catholicum« erstellten, womit nicht eine »katholische Uhr« gemeint war, sondern eine universale. Es war tatsächlich eine Art Weltkarte, die alle Niederlassungen der Gesellschaft Jesu zeigte, von Rom bis an die Grenzen der bekannten Welt, wobei für jede Niederlassung die Ortszeit angegeben war. Infolgedessen, erklärtePater Caspar, brauchte er nicht die ganze Zeit seit Beginn der Reise zu messen, sondern nur die Zeit seit dem letzten Außenposten der christlichen Welt, dessen geographische Lage unumstritten war. Dadurch verringerten sich die Fehlermöglichkeiten beträchtlich, und zwischen einer Station und der nächsten konnte man auch Methoden benutzen, die für sich allein genommen keine Gewissheit boten, wie die Abweichungen der Magnetnadel oder die Berechnung der Mondfinsternisse.
Zum Glück gab es seine Mitbrüder aber so gut wie überall in der Welt, von Pernambuco bis Goa, von Mindanao bis zum Portus Sancti Thomae, und wenn die Winde ihm nicht erlaubten, in einem bestimmten Hafen anzulegen, gab es sofort einen anderen. Zum Beispiel Macao, ah, Macao, beim bloßen Gedanken an dieses Abenteuer verdüsterte sich Pater Caspars Gesicht. Macao war damals eine portugiesische Besitzung (die Chinesen nannten die Europäer ebendeswegen Langnasen, weil die ersten, die sie zu Gesicht bekommen hatten, Portugiesen waren, die tatsächlich sehr lange Nasen haben, wie auch die Jesuiten, die mit ihnen gekommen waren). Macao war also ein einziger Kranz von weißblauen Festungen auf dem Hügel, kontrolliert von den Patres des Ordens, die sich auch mit militärischen Fragen beschäftigen mussten, da die Stadt von den ketzerischen Holländern bedroht wurde.
Pater Caspar hatte beschlossen, nach Macao zu fahren, wo er einen Mitbruder kannte, der sehr beschlagen in den astronomischen Wissenschaften war, aber er hatte vergessen, dass er auf einer Fleute segelte.
Was machten die guten Patres in Macao? Als sie ein holländisches Schiff kommen sahen, beschossen sie es mit Kanonen und Feldschlangen! Vergebens hatte sich Pater Caspar vorn an den Bug gestellt und mit den Armen gewinkt und sofort die Ordensflagge hissen lassen, diese verflixten Langnasen von portugiesischen Mitbrüdern, in kriegerischen Rauch eingehüllt, der sie zu einem heiligen Gemetzel einlud, hatten es gar nicht gemerkt, und die Kugeln hagelten nur so rings um die Daphne ins Meer. Reine Gnade Gottes, dass sie sofort die Segel streichen, umkehren und gerade noch heil entkommen konnte, während der Kapitän jenen unbesonnenenPatres wüste Beschimpfungen in seiner lutheranischen Sprache
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