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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wollen. Der Stein kannhöchstens (und warum sollte er nicht?) danach streben, wieder so zu sein, wie er vor seiner Einfügung in die Mauer war, und er kann Lust empfinden, wenn er wieder frei wird, aber er kann nicht beschließen, aktiv zu werden und etwas zu tun, um herbeizuführen, was ihm gefällt.
    Aber kann ich denn wirklich wollen? In diesem Moment empfinde ich das Vergnügen, Stein zu sein, die Sonne wärmt mich, der Wind macht mir die Ausscheidungen meines Körpers erträglich, ich habe durchaus nicht die Absicht, mein Steinsein zu beenden. Warum nicht? Weil es mir gefällt. Also bin auch ich der Sklave einer Passion, die mir abrät, freiwillig mein eigenes Gegenteil sein zu wollen. Aber wenn ich wollte, könnte ich wollen. Und dennoch tue ich es nicht. Um wie viel bin ich freier als ein Stein?
     
    Es gibt keinen schrecklicheren Gedanken, besonders für einen Philosophen, als den des freien Willens. Aus philosophischem Kleinmut verscheuchte ihn Roberto wie einen zu schwerwiegenden Gedanken – zu schwerwiegend für ihn, gewiss, umso mehr also für einen Stein, dem er schon die Leidenschaften zu-, aber jede Möglichkeit zum Handeln abgesprochen hatte. Auf jeden Fall hatte der Stein, auch ohne sich fragen zu können, ob es möglich ist, sich freiwillig selbst zu verdammen, bereits viele und überaus noble Fähigkeiten erworben, mehr als ihm die Menschen je zuerkannt hätten.
     
    Roberto fragte sich nun jedoch eher, ob der Stein in dem Moment, in dem er in den Vulkan fiel, ein Bewusstsein vom eigenen Tod hatte. Sicher nicht, denn er hatte ja nie gewusst, was Sterben ist. Aber als er dann ganz im Magma verschwunden war, konnte er da nicht einen Begriff von seinem nun eingetretenen Tod haben? Nein, denn nun existierte ja die individuelle Atomverbindung Stein nicht mehr. Andererseits, haben wir je von einem Menschen gehört, der bemerkt hätte, dass er gestorben war? Wenn sich jetzt etwas selber dachte, dann das Magma: ich Magma, ich Magma, ich Magma, schluff, schlopp, schwapp, ich fließe, ich ströme, ich wälze mich, plaff, plop, blubber, ich siede, ich schäume, ich koche, ich brutzle, brodle, prassle, zisch, spuck, spei, sprötz. Und während Roberto sich selbst als Magma vorstellte,geiferte er wie ein tollwütiger Hund und mühte sich, Kollergeräusche in seinem Leib zu erzeugen. Fast hätte er Stuhlgang gehabt. Er war nicht zur Existenz als Magma geschaffen, er dachte besser wieder als Stein.
    Aber was hat der verflossene Stein davon, dass der Magmastrom sich magmatisch selber magmatet? Für Steine gibt es kein Leben nach dem Tod. Für niemanden gibt es eins, dem versprochen oder gestattet worden ist, nach dem Tod eine Pflanze oder ein Tier zu werden. Was geschähe, wenn ich stürbe und, nachdem meine sterblichen Reste sich gut in die Erde verteilt hätten und längs der Wurzeln eingesickert wären, alle meine Atome sich neu zusammensetzten zu der schönen Gestalt einer Palme? Würde ich sagen ich Palme ? Das würde die Palme sagen, nicht weniger denkend als ein Stein. Aber wenn die Palme ich sagen würde, würde sie dann ich Roberto meinen? Man kann ihr nicht gut das Recht entziehen, ich Palme zu sagen. Und was wäre sie für eine Palme, wenn sie ich Roberto bin Palme sagen würde? Jene besondere Atomverbindung, die ich Roberto sagen konnte, weil sie sich als ebenjene Verbindung fühlte, existiert nicht mehr. Und wenn sie nicht mehr existiert, hat sie mit der Wahrnehmung ihrer selbst sicher auch die Erinnerung an sich verloren. Ich könnte nicht einmal mehr sagen ich Palme war Roberto . Wenn das möglich wäre, müsste ich jetzt wissen, dass ich Roberto einmal ein ... ja was? ... ein Etwas war. Aber ich erinnere mich an nichts. Ich weiß nicht mehr, was ich früher war, so wie ich auch nicht imstande bin, mich an den Fötus zu erinnern, der ich im Bauch meiner Mutter war. Ich weiß, dass ich ein Fötus war, weil die andern es mir gesagt haben, aber was mich betrifft, hätte ich auch keiner sein können.
    O Himmel, ich könnte mich einer Seele erfreuen, und sogar die Steine könnten es, und gerade von der Seele der Steine lerne ich, dass meine Seele nicht meinen Körper überleben wird! Was bemühe ich mich, zu denken und zu spielen, ich wäre ein Stein, wenn ich danach nichts mehr über mich weiß?
    Aber was ist denn letzten Endes überhaupt dieses Ich, von dem ich glaube, dass es mich denkt? Habe ich nicht gesagt, es sei nichts anderes als das Bewusstsein, das die Leere, dieidentisch mit der Ausdehnung

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