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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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führte ein vom Hass verblendeter Blinder andere Blinde, die von der Habgier verblendet waren, während er eine blinde Schönheit in seinen falschen Liebesbanden gefangenhielt.
    Vielen von der Mannschaft war unterdessen von dem großen Durst schon das Zahnfleisch geschwollen und begann, über die Zähne zu wuchern; ihre Beine bedeckten sich mit Schwären, deren pestilenzialischer Eiterauswurf bis zu den lebenswichtigen Teilen aufstieg.
    So kam es, dass Ferrante, als sie den fünfundzwanzigsten Grad südlicher Breite überquert hatten, eine Meuterei niederschlagen musste. Er tat es, indem er sich mit fünf der getreuestenKorsaren umgab (Andrapodo, Boride, Ordogno, Safar und Asprando), und die Meuterer wurden mit wenig Proviant in der Schaluppe ausgesetzt. Aber dadurch hatte die Tweede Daphne sich eines Rettungsmittels beraubt. Was soll's, sagte Ferrante, bald werden wir an dem Ort sein, zu dem uns unsere verabscheuungswürdige Goldgier hinzieht. Aber die Männer genügten jetzt nicht mehr, das Schiff zu steuern.
    Sie hatten auch keine Lust mehr, es zu tun. Nachdem sie ihrem Anführer so kräftig zur Hand gegangen waren, wollten sie nun mit ihm gleichgestellt sein. Einer von ihnen spionierte jenem mysteriösen Edelmann nach, der so selten an Deck kam, und fand heraus, dass es sich um eine Frau handelte. Daraufhin traten diese seine letzten Schergen vor Ferrante und verlangten, dass er ihnen die Passagierin ausliefere. Ferrante, der äußerlich zwar ein Adonis, in der Seele jedoch ein Vulkan war, hielt es eher mit Pluto als mit Venus, und es war ein Glück, dass Lilia ihn nicht hörte, als er den Meuterern zuraunte, er werde sich schon mit ihnen einigen.
    Roberto konnte nicht zulassen, dass Ferrante auch diese letzte Ruchlosigkeit noch beging. So wollte er denn, dass an diesem Punkte Neptun erzürnte, weil jemand es wagte, seine Gefilde zu durchpflügen, ohne sich vor seinem Zorn zu fürchten. Oder um es nicht in so heidnischer, wenn auch geistreicher Weise auszudrücken: Er stellte sich vor, dass der Himmel unmöglich – wenn denn ein Roman auch eine moralische Lehre enthalten musste – jenes von Perfidien erfüllte Schiff unbestraft lassen konnte. Und so erfreute er sich an der Vorstellung, dass die Nord- und Südwinde, Aquilo , Auster und Notus , diese nimmermüden Feinde der Ruhe des Meeres, die es bisher den milden Zephyren aus dem Westen überlassen hatten, der Tweeden Daphne den Weg zu bahnen, schon ungeduldig in ihren unterirdischen Räumen rumorten.
    Er ließ sie alle auf einmal heraus. Dem Ächzen der Planken antworteten die Schreie der Menschen, das Meer erbrach sich über ihnen, und sie erbrachen sich ins Meer, und manchmal überspülte sie eine Welle so hoch, dass man das Deck vom Ufer aus für eine Bahre aus Eis hätte halten können, um welche die Blitze sich wie Wachskerzen entzündeten.
    Zuerst ließ das Unwetter Wolken mit Wolken, Wasser mit Wasser und Winde mit Winden zusammenprallen. Bald jedochstieg das Meer über seine vorgeschriebenen Grenzen und türmte sich brüllend zum Himmel, krachend prasselte Regen los, das Wasser mischte sich mit der Luft, der Vogel lernte schwimmen und fliegen der Fisch. Es war nicht mehr ein Kampf der Natur gegen seefahrende Menschen, es war eine Schlacht der Elemente gegeneinander. Kein Luft-Atom gab es mehr, das sich nicht in ein Hagelkorn verwandelt hätte, und Neptun stieg auf, um die Blitze in Jupiters Händen zu löschen, mit denen es diesen gelüstete, jene Menschen zu verbrennen, die Neptun statt dessen ertränken wollte. Das Meer grub ihnen ein Grab in seinem eigenen Schoße, um sie der Erde zu entziehen, und als es die Tweede Daphne ruderlos auf eine Klippe zutreiben sah, stieß es sie mit einer jähen Ohrfeige in eine andere Richtung.
    Das Schiff tauchte abwechselnd vorne und hinten ein, und bei jedem Eintauchen schien es am anderen Ende hoch wie ein Turm aufzuragen: Das Heck versank bis zur Galerie, und vorn schien das Meer den Bugspriet verschlingen zu wollen.
    Andrapodo, der gerade ein Segel festzurren wollte, wurde von der Rahe gerissen, und beim Sturz ins Meer traf er den gerade ein Seil spannenden Boride so unglücklich, dass es ihm den Kopf abtrennte.
    Nun weigerte sich das Schiff, dem Steuer Ordognos zu gehorchen, indes eine weitere Sturzwelle mit einem Hieb das Besansegel zerriss. Safar gelang es, die Segel einzuziehen, angestachelt von Ferrante, der unentwegt fluchte, doch er hatte das Marssegel noch nicht gesichert, da legte das Schiff sich quer

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