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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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können, wenn er fester zugestoßen hätte.
    »Nun, wie gefällt Euch das, mein Freund?«, sagte er, während Roberto sich grüßend geschlagen gab. »Das ist der Coup de la Mouette, der Möwenstoß. Wenn Ihr eines Tages das Meer befahrt, werdet Ihr sehen, dass diese Vögel senkrecht herabschießen, als ob sie fielen, und knapp über dem Wasser fangen sie sich ab und steigen mit einer Beute im Schnabel wieder auf. Es ist ein Stoß, der lange Übung erfordert, und er gelingt nicht immer. Bei mir ist er jenem Prahlhans nicht gelungen, der ihn erfunden hatte. So verlor er sein Leben und sein Geheimnis. Ich glaube, der Verlust des zweiten hat ihn mehr gewurmt als der des ersten.«
    Sie hätten noch lange so weitergefochten, wenn nicht bereits eine kleine Schar von Neugierigen zusammengekommen wäre. »Hören wir auf«, sagte Roberto, »ich möchte nicht gern, dass jemand bemerkt, dass ich meine Trauer vergessen habe.«
    »Ihr ehrt Euern Vater jetzt mehr«, sagte Saint-Savin, »indem Ihr Euch seiner Lehren erinnert, als vorhin in der Kirche, wo Ihr schlechtes Latein hörtet.«
    »Monsieur de Saint-Savin«, fragte Roberto, »fürchtet Ihr eigentlich nicht, auf dem Scheiterhaufen zu enden?«
    Saint-Savins Miene verdüsterte sich für einen Augenblick. »Als ich ungefähr in Eurem Alter war, hegte ich große Bewunderung für jemanden, der für mich wie ein älterer Bruder war. Er hieß Lucilius wie ein antiker Philosoph, und er war auch ein Philosoph, und Priester dazu. Er ist auf dem Scheiterhaufen in Toulouse verbrannt worden, aber vorher haben sie ihm die Zunge herausgerissen und ihn erwürgt. Woran Ihr seht, wenn wir Philosophen flink mit der Zungesind, dann nicht nur, wie jener Herr neulich sagte, um den bon ton zu pflegen. Sondern auch, um möglichst viel Nutzen aus ihr zu ziehen, bevor man sie uns herausreißt. Oder, Scherz beiseite, um mit den Vorurteilen aufzuräumen und die natürliche Vernunft der Dinge freizulegen.«
    »Dann glaubt Ihr also wirklich nicht an Gott?«
    »Ich finde in der Natur keinen Grund dazu. Und damit stehe ich nicht allein. Strabo berichtet, dass die Galizier keine Vorstellung von einem höheren Wesen hatten. Und als die Missionare zu den Eingeborenen der Westindischen Inseln über Gott sprechen wollten – berichtet Acosta, der immerhin Jesuit war –, mussten sie das spanische Wort Dios benutzen. Ihr werdet es nicht glauben, aber in der Sprache jener Eingeborenen gab es keinen passenden Ausdruck. Wenn die Idee von Gott nicht in der Natur vorkommt, muss es sich um eine Erfindung der Menschen handeln ... Aber nun schaut mich nicht so an, als hätte ich keine gesunden Prinzipien und wäre kein treuer Diener meines Königs. Ein wahrer Philosoph will keineswegs die Ordnung der Dinge umstürzen. Er akzeptiert sie. Er will nur, dass man ihn diejenigen Gedanken kultivieren lässt, die einer starken Seele Trost spenden. Für die anderen ist es ein Glück, dass es Päpste und Bischöfe gibt, die die Massen von der Revolte und vom Verbrechen abhalten. Die Ordnung des Staates verlangt eine Regelung des Benehmens, die Religion ist notwendig für das Volk, und der Weise muss einen Teil seiner Unabhängigkeit opfern, damit die Gesellschaft nicht auseinanderfällt. Was mich betrifft, so glaube ich, ein nüchterner Mann zu sein: Ich bin meinen Freunden treu, ich lüge nicht, außer wenn ich eine Liebeserklärung mache, ich liebe das Wissen, und ich schreibe, sagt man, gute Verse. Deshalb finden mich die Damen galant. Ich würde gerne Romane schreiben, die sehr in Mode sind, aber ich denke an viele und kann mich bei keinem entschließen, ihn zu schreiben ...«
    »An was für Romane denkt Ihr?«
    »Manchmal betrachte ich den Mond und stelle mir vor, die Flecken dort seien Höhlen, Städte, Inseln, und die glänzenden Stellen seien solche, wo das Meer das Licht der Sonne empfängt wie das Glas eines Spiegels. Ich würde gern die Geschichte von ihrem König erzählen, von ihren Kriegen undRevolutionen, oder vom Unglück der Liebenden dort oben, die während ihrer Nächte seufzend unsere Erde betrachten. Es würde mir gefallen, von den Kriegen und Freundschaften zwischen den verschiedenen Teilen des Körpers zu erzählen, wie die Arme den Füßen Schlachten liefern, wie die Venen mit den Arterien Liebe machen oder die Knochen mit dem Mark. Alle Romane, die ich gern schreiben würde, verfolgen mich. Wenn ich in meiner Kammer bin, ist mir, als ob sie mich alle umgäben wie kleine Teufelchen, der eine zieht mich am

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