Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
wieder in den Dienst von Toiras, dem letzten Vaterbild, das ihm verblieben war, und in Ausführung seiner Befehle wurde er zum Zeugen der letzten Ereignisse.
Am 13. September trafen Emissäre des Königs von Frankreich und des Herzogs von Savoyen sowie Hauptmann Mazzarini im Kastell ein. Auch die Entsatzarmee hatte Verhandlungen mit den Spaniern aufgenommen. Nicht die letzte Bizarrerie jener Belagerung: Die Franzosen erbaten einen Waffenstillstand, um rechtzeitig zur Rettung der Stadt eintreffen zu können. Die Spanier willigten ein, weil auch ihr Lager, von der Pest verheert, in einer Krise war, die Desertationen nahmen zu, und Spinola hielt sein Leben inzwischen nur noch mit den Zähnen fest. Toiras sah sich von den Neuankömmlingen die Klauseln des Abkommens diktiert, die ihm erlaubten, Casale zu verteidigen, während Casale bereits genommen war: Die Franzosen würden sich in die Zitadelle zurückziehen, um die Stadt mitsamt dem Kastell den Spaniern zu überlassen, jedenfalls bis zum 15. Oktober. Wenn bis dahin die Entsatzarmee nicht eingetroffen war, würden die Franzosen auch die Zitadelle räumen und sich endgültig geschlagen geben. Andernfalls würden die Spanier Stadt und Kastell zurückgeben.
In der Zwischenzeit sollten die Belagerten von den Belagerern mit Lebensmitteln versorgt werden. Sicher ist das nicht die Art, wie wir meinen, dass eine Belagerung damals verlaufen sollte, aber es war die Art, wie man damals den Verlauf einer Belagerung akzeptierte. Es war kein richtiger Krieg, es war wie ein Würfelspiel, das man unterbricht, wenn der Gegner mal austreten muss. Oder wie eine Wette auf das siegreiche Pferd. Und das Pferd war jene Entsatzarmee, die, von der Hoffnung beflügelt, immer größer wurde, je länger man auf sie wartete, aber die noch niemand gesehen hatte. Man lebte in Casale, in Stadt und Zitadelle, wie auf der Daphne: mit einer fernen Insel im Kopf und den Eindringlingen im Haus.
Während die spanische Vorhut sich gut benommen hatte, kam jetzt das Gros der Armee in die Stadt, und die Casaler sahen sich Horden von Wüstlingen gegenüber, die alles requirierten, ihre Frauen vergewaltigten, ihre Männer verprügelten und sich, nach Monaten in den Wäldern und auf den Feldern, die Freuden des Stadtlebens gönnten. Hinzu kam, gleichmäßig verteilt auf Eroberer, Eroberte und in der Zitadelle Verschanzte, die Pest.
Am 25. September lief die Kunde um, dass Spinola gestorben war. Jubel in der Zitadelle, Erschütterung bei den Eroberern, die nun verwaist wie Roberto waren. Die nächsten Tage waren ereignisloser als auf der Daphne , bis am 22. Oktober gemeldet wurde, dass die Entsatzarmee in Asti angelangt sei. Die Spanier machten sich daran, das Kastell zu befestigen und Kanonen am Ufer des Po aufzustellen, ohne sich einen feuchten Dreck (fluchte Toiras) um das Abkommen zu scheren, nach dem sie beim Eintreffen der Armee die Stadt hätten räumen sollen. Die Spanier erinnerten durch den Mund von Signor della Saletta daran, dass im Abkommen als letzter Termin der 15. Oktober festgesetzt worden war, so dass eigentlich die Franzosen seit einer Woche die Zitadelle hätten geräumt haben müssen.
Am 24. Oktober sah man von den Zinnen der Zitadelle aus große Bewegungen unter den feindlichen Truppen, und Toiras machte sich bereit, die heranrückenden Franzosen mit seiner Artillerie zu unterstützen; in den folgenden Tagen begannen die Spanier, ihr großes Gepäck auf dem Fluss zu verladen, um es nach Alessandria zu schicken, und das erschien in der Zitadelle als gutes Zeichen. Doch die Feinde am Fluss begannen auch, Pontonbrücken zu bauen, um ihren Rückzug vorzubereiten. Und das erschien Toiras so wenig elegant, dass er sie beschießen ließ. Woraufhin die Spanier aus Rache alle Franzosen, die sich noch in der Stadt befanden, verhafteten, und wieso sich dort noch welche befanden, weiß ich auch nicht zu sagen, aber so berichtet es Roberto, und mittlerweile bin ich bei dieser Belagerung auf alles gefasst.
Die Entsatzarmee war sehr nahe, und man weiß, dass Mazzarini im Auftrag des Papstes alles tat, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Er pendelte von einer Armee zur anderen, kam erneut zu Verhandlungen in Pater EmanuelesKloster und galoppierte wieder los, um den beiden Armeen die Gegenvorschläge zu überbringen. Roberto sah ihn immer nur aus der Ferne, staubbedeckt und nach allen Seiten den Hut ziehend. Beide Parteien verhielten sich abwartend, da die erste, die einen Zug getan hätte,
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