Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
rostiges Scheppern, ein metallisches Rasseln und Knirschen, und diesmal konnte es nicht der Wind sein, der diese Geräusche erzeugte, denn das Meer war reglos und glatt wie Öl. Verärgert wie einer, der beim Aufwachen träumt, dass er träumt, zwang er sich, die Augen zu öffnen, und hörte die Geräusche noch immer: sie kamen entweder aus dem Unterdeck oder aus dem Kielraum.
Beim Aufstehen merkte er, dass er heftige Kopfschmerzen hatte. Um etwas dagegen zu tun, fiel ihm nichts Besseres ein, als sich erneut unter den Zapfhahn des Fässchens zu hängen, doch als er davon abließ, waren die Schmerzen noch schlimmer als vorher. Er nahm seine Waffen, schaffte es nach mehreren Anläufen, sich das Messer in den Gürtel zu stecken, bekreuzigte sich mehrmals und wankte die Treppe hinunter.
Durch den Raum unter ihm, das wusste er, ging die Ruderpinne. Er stieg noch weiter hinunter, bis zum Fuß der Treppe. Wenn er von da aus bugwärts ging, würde er zu den Pflanzen gelangen. Heckwärts gab es eine Tür, die er noch nie geöffnet hatte. Von dort kam jetzt sehr laut ein vielfältiges, ungleichmäßiges Ticken, das wie eine Überlagerung vieler verschiedener Rhythmen klang, unter denen man bald ein Tick-Tick, bald ein Tock-Tock und bald ein Tack-Tack unterscheiden konnte, aber der Gesamteindruck war ein Titickete-Tock-Tackatackete-Tick. Es klang, als ob hinter jener Tür eine Legion von Wespen und Hornissen wild durcheinandersauste, alle auf verschiedenen Flugbahnen, um gegen die Wände zu stoßen und beim Abprall gegeneinanderzuprallen. Roberto traute sich zuerst gar nicht, die Tür zu öffnen, aus Furcht, von den verrückt gewordenen Atomen dieses verrückt gewordenen Bienenstocks angefallen zu werden.
Erst nach langem Zögern entschloss er sich. Mit dem Kolben der Büchse stieß er die Tür auf und trat ein.
Der Abstellraum bekam Licht durch ein weiteres Sabord und war voller Uhren.
Uhren. Wasseruhren, Sanduhren, Sonnenuhren, die verloren an den Wänden lehnten, aber vor allem mechanische Uhren, die auf verschiedenen Regalen und Truhen standen, Uhren mit Antrieben durch Gewichte und Gegengewichte, die langsam absanken, durch Zahnräder, die in andere Zahnräder griffen und diese wieder in andere, bis das letzte zwei ungleiche löffelförmige Enden eines vertikalen Stabes bewegte und sie zwei halbe Drehungen in entgegengesetzter Richtung vollführen ließ, so dass der Stab mit diesem indezenten Schwänzeln eine horizontale Stange bewegte, die an seinem oberen Ende befestigt war, Uhren mit einer Feder,in denen sich ein Kettchen von einem gerillten Kegel abwickelte, gezogen von einer sich drehenden Federtrommel, die sich des Kettchens Glied für Glied bemächtigte.
Einige dieser Uhren verbargen ihren Mechanismus unter Hüllen mit rostigen Ornamenten und korrodierten Ziselierungen und zeigten nur die langsame Drehung ihrer lanzenförmigen Zeiger, aber die meisten stellten ihr knirschendes Räderwerk zur Schau und erinnerten an jene Totentänze, bei denen das einzig Lebende grinsende Skelette sind, die drohend die Sichel der Zeit schwingen.
All diese Maschinen tickten, in den größeren Sanduhren lief der Sand noch, in den kleineren war er schon fast zur Gänze in der unteren Hälfte versammelt, der Rest war Zähneknirschen, asthmatisches Kauen und Malmen.
Wer den Raum zum ersten Mal betrat, musste den Eindruck gewinnen, dass sich diese Anhäufung von Uhren bis ins Unendliche fortsetzte: Die hintere Wand war mit einer Leinwand bespannt, auf der eine Flucht von Räumen voll weiterer Uhren zu sehen war. Aber auch wenn man sich dieser Magie entzog und nur die Uhren betrachtete, die sozusagen aus Fleisch und Bein waren, gab es Grund zum Staunen.
Es mag unglaublich klingen – für den Leser, der diese Dinge aus dem Abstand liest –, aber ein Schiffbrüchiger, benebelt von Branntwein und auf einem verlassenen Schiff, der hundert Uhren findet, die ihm fast unisono die Geschichte seiner endlosen Zeit erzählen, denkt zuerst an die Geschichte und nicht an ihren Autor. Und so tat es Roberto: Er untersuchte eins nach dem anderen jene Geräte zum Zeitvertreib, jene Spielzeuge für die senile Jugend eines zu einem überaus langsamen Tode Verurteilten.
Der Donner vom Himmel kam später – il tuon dal ciel fu dopo , wie Roberto schrieb –, nämlich als er aus jenem Alptraum erwachte und sich der Notwendigkeit gegenübersah, einen Grund zu finden. Wenn die Uhren alle gingen, musste sie jemand in Gang gesetzt haben. Und selbst wenn
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