Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
Gleichnisse für die Herzensregungen zu benutzen. Und es war die Begegnung mit Herrn d'Igby, die ihn zu jener Rede animierte, die ihn dann ins Verderben stürzen sollte.
Monsieur d'Igby – wie er jedenfalls in Paris genannt wurde – war ein Engländer, den Roberto zuerst im Kabinett Dupuy kennengelernt hatte und den er eines Abends in einem Salon wiedertraf.
Es waren noch keine drei Lustren vergangen, seit der Herzog von Bouquinquant vorgeführt hatte, dass ein Engländer »den Roman im Kopf« – le roman en teste – haben konnte und zu noblen Narrheiten fähig war: Man hatte ihm gesagt, in Frankreich gebe es eine schöne und stolze Königin, und dem Traum von ihr hatte er sein Leben geweiht, um schließlich daran zu sterben, und hatte lange auf einem Schiff gelebt, auf dem er der Geliebten einen Altar errichtet hatte. Als man erfuhr, dass d'Igby etwa zwölf Jahre zuvor – und zwar genau im Auftrag von Bouquinquant – am Kaperkrieg gegen Spanien teilgenommen hatte, war die Welt der Preziösen hellauf von ihm begeistert.
Im Milieu der Gebrüder Dupuy waren die Engländer nicht so beliebt. Man setzte sie mit Leuten wie jenem Robertus a Fluctibus gleich, der als Medicinae Doctor, Eques Auratus und Armiger Oxoniensis firmierte und gegen den mehrere Streitschriften verfasst worden waren, die sein exzessives Vertrauen in die okkulten Operationen der Natur anprangerten. Doch im selben Milieu empfing man einen witz- und geistreichen Kirchenmann wie den Monsignor Gaffarel, der im Glauben an unerhörte Kuriositäten hinter keinem Engländer zurückstand, und im übrigen hatte sich d'Igby als durchaus fähig erwiesen, höchstgelehrt über die Notwendigkeit des Vakuums zu sprechen – in einer Runde von Naturphilosophen, die einen Horror vor Leuten mit einem Horror vacui hatten.
Eine gewisse Einbuße hatte sein Kredit allenfalls bei einigen Damen erlitten, denen er eine selbsterfundene Schönheitssalbe empfohlen hatte, von der eine der Damen dann Pusteln bekommen hatte, und jemand behauptete, vor einigen Jahren sei ihm, als Opfer eines von ihm gebrauten Vipernsaftes, seine geliebte Ehefrau Venetia gestorben. Aber das waren sicher nur üble Nachreden neidischer Konkurrenten, ausgelöst durch seine Reden über andere von ihm erfundene Medikamente, zum Beispiel gegen Nierenleiden, gewonnen aus der Flüssigkeit von Kuhfladen und von Hasen, die von Hunden totgeschüttelt worden waren – Reden, die keinen großen Beifall finden konnten in Kreisen, in denen man sich bemühte, aus Rücksicht auf die anwesenden Damen nur Worte zu wählen, die keine irgendwie auch nur vage anstößig klingenden Silben enthielten.
Eines Abends in einem Salon zitierte d'Igby einige Verse von einem Dichter aus seiner Heimat:
Wenn zwei wir sind, sind wir es so,
Wie es zwei starre Zirkelfüße sind:
Du bist der feste Fuß, der sich nicht fortbewegt,
Sich aber regt, wenn es der andre tut.
Er steht zwar in der Mitten fest,
Doch wenn der andre schweift hinaus,
Dann neigt er sich und horcht ihm nach
Und stellt sich auf, wenn jener wiederkehrt.
So wirst du sein für mich, wenn ich
Nun schräg muss laufen wie der andre Fuß.
Dein Feststehn rundet meinen Kreis,
Lässt enden mich, wo ich begann.
Roberto hatte beim Zuhören auf Lilia geschaut, die ihm den Rücken zukehrte, und hatte beschlossen, dass sie ihm für alle Zeiten der andere Fuß des Zirkels sein sollte; und dass er Englisch lernen musste, um mehr von jenem Dichter zu lesen, der seine Gefühle so schön auszudrücken vermochte. Niemand in Paris hätte damals eine so barbarische Sprache lernen wollen, doch als Roberto an jenem Abend d'Igby zu seiner Herberge zurückbegleitete, wurde ihm klar, dass der Mann Schwierigkeiten hatte, sich in gutem Italienisch auszudrücken, obwohl er auf der Apenninenhalbinsel gereist war, und dass er sich schämte, eine für jeden gebildeten Menschen so unverzichtbare Sprache nicht ausreichend zu beherrschen. Sie beschlossen, sich wiederzusehen und sich gegenseitig in der jeweiligen Muttersprache beredter zu machen.
So war eine solide Freundschaft zwischen Roberto und jenem Manne entstanden, der sich als reich an medizinischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen erwies.
Er hatte eine schreckliche Kindheit gehabt. Sein Vater war in die sogenannte Pulververschwörung verwickelt gewesen und hingerichtet worden. In ungewöhnlicher Koinzidenz, oder vielleicht infolge unergründlicher Seelenregungen, hatte d'Igby daraufhin
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