Die Insel Des Vorigen Tages
Mondbewohnern: Die Himmelskörper seien nicht von der gleichen Beschaffenheit wie unser Planet und darum nicht geeignet, lebende Kreaturen zu beherbergen, es sei besser, sie den himmlischen Heerscharen zu überlassen, die sich spirituell durch den Kristall der Himmel bewegten.
»Aber wie können die Himmel denn aus Kristall sein? Wenn sie es wären, müßten die Kometen sie doch beim Durchfliegen zerbrechen!«
»Wer hat denn gesagt, daß die Kometen durch die ätherischen Regionen fliegen? Die Kometen fliegen durch die sublunare Region, id est die Region zwischen Mond und Erde, und die ist voll Lufft, wie du selber siehest.«
»Nichts bewegt sich, was nicht Körper wäre. Aber die Himmel drehen sich. Also sind sie Körper.«
»Umb Lügenmärchen erzelen zu können, wirstu sogar zum Aristoteliker. Aber ich weiß, warumb du so redst. Du willst, daß auch in den Himmeln Lufft sey, damit kein Unterschied sey zwischen Oben und Unten und alles rundgehe und die Erde sich drehe wie ein eitel Frauenzimmer im Tanze!«
»Aber wir sehen doch die Sterne jede Nacht in einer anderen Position ...«
»Richtig. De facto bewegen sie sich.«
»Wartet, ich bin noch nicht fertig. Wollt Ihr, daß die Sonne und alle Gestirne, die lauter riesige Körper sind, sich alle vierundzwanzig Stunden einmal um die Erde drehen und daß die Fixsterne beziehungsweise der große Ring, in den sie eingefaßt sind, in dieser Zeit mehr als siebenundzwanzigtausendmal zweihundert Millionen Meilen zurücklegen? Genau das aber müßte geschehen, wenn sich die Erde nicht in vierundzwanzig Stunden einmal um sich selbst drehen würde.
Wie machen es die Fixsterne, daß sie so rasen? Wer auf ihnen lebt, dem muß ja der Kopf schwirren!«
»So denn würcklich dorten jemand lebt. Aber das ist eine Petitio Prinkipii.«
Und Pater Caspar gab zu bedenken, daß es leicht sei, ein einziges Argument zugunsten der Bewegung der Sonne zu erfinden, während es sehr viel mehr Argumente gegen die Bewegung der Erde gebe.
»Ich weiß wohl«, erwiderte Roberto, »daß der Prediger Salomo sagt: terra autem in aeternum stat , sol oritur, die Erde stehet in Ewigkeit, die Sonne aber erhebt sich, und daß Josua die Sonne angehalten hat und nicht die Erde. Aber gerade Ihr habt mich gelehrt, wenn wir die Bibel wörtlich nähmen, dann hätten wir das Licht vor der Erschaffung der Sonne. Also muß die Heilige Schrift cum grano salis gelesen werden, und auch der heilige Augustinus wußte, daß sie oftmals more allegorico spricht ...«
Pater Caspar lächelte und erinnerte daran, daß die Jesuiten schon längst nicht mehr ihre Gegner mit Spitzfindigkeiten aus der Heiligen Schrift besiegten, sondern mit unschlagbaren Argumenten aus den Gebieten der Astronomie, der Vernunft, der Mathematik und Physik.
»Mit welchen Argumenten, zum Beispiel?« fragte Roberto, während er sich ein wenig Dreck vom Bauch kratzte.
Zum Beispiel, antwortete Pater Caspar leicht pikiert, mit dem machtvollen Argument des Rades: »Hör zu. Denck dir ein Rad, ja?«
»Ich denck mir ein Rad.«
»Bravo, so denckst du auch einmal was, anstatt den Affen zu machen und bloss nachzuplappern, was du in Paris vernommen. Also denck nun, dass dieses Rad auf einem Zapffen sitzet wie eines Töpfers Scheibe, und dass du dieses Rad drehen wilst. Was thust du?«
»Ich fasse es mit den Händen, lege vielleicht einen Finger an den Rand des Rades, bewege den Finger, und das Rad beginnt sich zu drehen.«
»Meinstu nicht, es wär besser, den Zapffen zu fassen, im Centro des Rades, und ihn zu drehen?«
»Nein, das wäre unmöglich ...«
»Siehst du! Und deine Galileer und Kopernikaner wollen die Sonne ins Centro des Universums setzen gleichwie einen Zapffen, umb den sich der gantze grosse Planetenkreis drehet, anstatt zu dencken, daß die Bewegung im Gegentheil vom grossen Himmelskreis kömmt, indeß die Erde reglos im Centro stehet.
Wie hätte Gott der HErr die Sonne an den tieffuntersten Punckt des Universums setzen können und die Erde verderblich und dunckel mitten zwischen die ewiglich strahlenden Sterne? Verstehst du nun deinen Irrthum?«
»Aber die Sonne muß doch im Mittelpunkt des Universums sein!- Die Körper in der Natur brauchen dieses Urfeuer und sind darauf angewiesen, daß es im Herzen des Reiches brennt, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Muß die Quelle der Zeugung nicht im Zentrum des Ganzen sein? Hat die Natur nicht den Samen in die Genitalien getan, auf halbem Weg zwischen Kopf und Füßen? Und sind
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