Die Insel Des Vorigen Tages
Wasser, als ob er durch diesen Liebesakt mit dem Meer die Palme gewinnen könnte, die er im Traum Ferrante zuerkannt hatte. Es kostete seinen an Denk- und Sinnfiguren geschulten Geist keine Mühe, sich Lilia in jedem wenigen Schnörkel jenes versunkenen Parks vorzustellen, ihre Lippen in jeder Blüte zu sehen, in die er sich hätte verlieren wollen wie eine naschsüchtige Biene. In gläsernen Ziergärten fand er den Seidenkrepp wieder, der ihr Gesicht in den ersten Nächten verhüllt hatte, und er streckte die Hand aus, um jenen Schleier zu heben.
In diesem Rausch der Vernunft bedauerte er nur, daß seine Augen nicht so weit reichten, wie sein Herz wollte, und trunken suchte er zwischen den Korallen nach dem Armband der Geliebten, nach ihrem Haarnetz, ihrem zierlichen Ohrgehänge, nach den prächtigen Ketten, die ihren Schwanenhals schmeckten.
Ganz vertieft in die Suche, ließ er sich an einem bestimmten Punkt von einem Geschmeide anziehen, das er in einer Spalte zu sehen meinte. Er nahm sich die Maske ab, krümmte den Rücken, schlug kraftvoll die Beine zusammen und stieß sich hinab. Der Stoß war zu heftig gewesen, Roberto wollte sich am Rand eines Vorsprungs festhalten, und es war nur eine Sekunde, bevor er die Finger um einen grindigen Stein legte, daß ihm schien, als hätte er da ein dickes und schläfriges Auge aufgehen sehen. Im selben Moment fiel ihm ein, daß Doktor Byrd von einem Steinfisch gesprochen hatte, der sich in den Korallengrotten einniste, um jedes lebende Wesen mit dem Gift seiner Schuppen zu überraschen.
Zu spät, die Hand hatte sich schon auf das Wesen gelegt, und ein stechender Schmerz schoß ihm durch den Arm bis hinauf in die Schulter. Mit einem raschen Hüftschlag konnte er gerade noch verhindern, mit dem Gesicht und der Brust auf dem Monster zu landen, doch um seinen Schwung abzubremsen, hatte er die Maske gegen es schlagen müssen. Dabei war die Maske zerbrochen, und jedenfalls mußte er sie loslassen. Es gelang ihm, sich mit den Füßen von einem tiefer liegenden Felsen abzustoßen, so daß er wieder nach oben glitt, und dabei konnte er gerade noch ein paar Sekunden lang die Gläserne Maske in die Tiefe hinabsinken sehen.
Seine linke Hand und der ganze Unterarm waren geschwollen, die Schulter war gefühllos geworden; er fürchtete, ohnmächtig zu werden, doch er fand das Seil und zog sich mühsam mit einer Hand Stück für Stück bis zum Schiff. Er hievte sich die Leiter hinauf, ohne zu wissen, wie, es war beinahe wie in der Nacht seiner Ankunft auf der Daphne , und erschöpft wie in jener Nacht sank er aufs Deck.
Aber nun stand die Sonne schon hoch. Zähneklappernd entsann er sich, daß Doktor Byrd ihm erzählt hatte, die meisten seien nach einer Begegnung mit dem Steinfisch gestorben, nur wenige hätten überlebt und niemand kenne ein Mittel gegen das Gift. Trotz seiner getrübten Augen versuchte er, die Wunde zu untersuchen: Es war nur ein Kratzer, aber er mußte genügt haben, die tödliche Substanz in seine Adern eindringen zu lassen. Ihm schwanden die Sinne.
Als er wieder zu sich kam, war das Fieber gestiegen, und ihn plagte heftiger Durst. Er machte sich klar, daß er auf dem offenen Vorderdeck, schutzlos den Elementen preisgegeben und fern von Speise und Trank, nicht bleiben konnte. Er schleppte sich bis zum Unterdeck und erreichte die Grenze zwischen der Vorratskammer und dem Vogelgehege. Gierig trank er aus einem der Wasserfäßchen, doch er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Erneut schwanden ihm die Sinne, und er fiel mit dem Gesicht voran ins eigene Erbrochene.
Während einer Nacht voll wüster Träume gab er die Schuld an seinen Leiden Ferrante, den er nun mit dem Steinfisch gleichsetzte. Warum wollte Ferrante ihn am Zugang zur Insel und zur Taube hindern?
War das der Grund, weshalb er sich an seine Verfolgung gemacht hatte?
Roberto sah sich selbst am Boden liegen und ein anderes Selbst betrachten, einen zweiten Roberto, der vor ihm saß, neben einem Ofen, bekleidet mit einem Schlafrock und beschäftigt mit der Frage, ob die Hände, mit denen er sich betastete, und der Körper, den er fühlte, die seinen waren. Er, der da lag und sein anderes Selbst vor sich sitzen sah, fühlte sich, als wäre er mit den Kleidern eine Beute der Flammen geworden, dabei war er nackt und der andere bekleidet - und er wußte nicht mehr, wer von den beiden im Wachen lebte und wer im Schlaf, und er dachte, daß sicherlich alle beide Hervorbringungen seines fiebernden Geistes
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