Die Insel Des Vorigen Tages
Speisekammer. Er stellte fest, daß auf der Daphne jeder verfügbare Raum voll ausgenutzt war: zwischen Unterdeck und Kielboden hatte man Bretterwände und Zwischendecks eingezogen, um Verschläge zu gewinnen, die durch wacklige Treppen miteinander verbunden waren. Er gelangte in den Stauraum der Taue, stolperte über zusammengerollte Trossen und Seile aller Art, die noch feucht vom Meerwasser waren. Er stieg noch weiter hinunter und kam in die secunda carina , einen Laderaum voller Kisten und Bündel verschiedener Art.
Dort fand er weitere Lebensmittel und weitere Fässer mit Süßwasser. Das mußte ihn freuen, aber es freute ihn nur, weil es bedeutete, daß er seine Jagd noch lange fortsetzen konnte, mit der Lust, sie zu verzögern. Was nichts anderes ist als die Lust der Angst.
Hinter den Wasserfässern fand er vier weitere Branntweinfäßchen. Er stieg wieder in die Speisekammer hinauf und kontrollierte die dort vorhandenen Fäßchen. Sie waren alle voll Wasser, also mußte das Branntweinfäßchen, das er am Vortag dort gefunden hatte, von unten heraufgebracht worden sein, um ihn in Versuchung zu führen.
Anstatt sich über den Hinterhalt Sorgen zu machen, stieg er noch einmal hinunter, holte ein neues Branntweinfäßchen nach oben und trank noch etwas.
Dann stieg er erneut in den Kielraum hinunter, wir können uns vorstellen, in welchem Zustand, und machte erst halt, als er den faulen Geruch des Schwitzwassers in der Bilge roch. Tiefer hinunter ging es nicht.
Also mußte er zurück, in Richtung des Hecks, aber seine Lampe war am Erlöschen, er stolperte über etwas und begriff, daß er sich zwischen dem Ballast vorantastete, genau dort, wo Doktor Byrd auf der Amarilli seinen armen Hund untergebracht hatte.
Und genau dort im Kielraum, zwischen Wasserpfützen und verfaulten Speiseresten, entdeckte er eine Fußspur.
Er war jetzt so sicher, daß sich ein Eindringling an Bord befand, daß ihm nur ein Gedanke kam: endlich hatte er den Beweis, daß er nicht betrunken war - was genau der Beweis ist, nach dem alle Betrunkenen immer suchen. Auf jeden Fall war die Beweislage sonnenklar, wenn man das bei einer Suche zwischen Dunkelheit und flackerndem Lampenschein sagen konnte. In seiner Gewißheit, daß der Eindringling existierte, kam ihm nicht der Gedanke, daß die Fußspur nach all dem Hin und Her auch von ihm selbst stammen könnte. Er stieg wieder an Deck, entschlossen, den Kampf aufzunehmen.
Die Sonne ging gerade unter. Es war der erste Sonnenuntergang, den er sah, nachdem er fünf Tage lang nur Nächte, Dämmerungen und Morgenröten gesehen hatte. Wenige schwarze Wolken streiften fast parallel die Hänge der ferneren Insel, um sich zum Gipfel hin zu verdichten, und verflogen von dort wie Pfeile nach Süden. Die Küste hob sich dunkel gegen das Meer ab, das nun eine helle Tintenfarbe hatte, während der Rest des Himmels in einer blassen, kraftlosen Kamillenfarbe erschien, als zelebrierte die Sonne dort hinten nicht ihr Opfer, sondern döste eher langsam ein und hätte Himmel und Meer gebeten, dieses ihr Wegdämmern sacht zu begleiten.
Roberto dagegen fühlte sich wieder kriegslüstern. Er beschloß, den Feind zu verwirren. Er ging in den Raum mit den Uhren, holte so viele von ihnen an Deck, wie er konnte, und verteilte sie wie die Figuren eines Brettspiels, eine an den Hauptmast, drei aufs Achterkastell, eine vor die Ankerwinde, andere rings um den Fockmast, eine vor jede Tür und an jede Luke, so daß, wer sie im Dunkeln passieren wollte, daranstoßen mußte.
Dann setzte er die mechanischen Uhren in Gang (ohne zu bedenken, daß er sie damit für den Feind, den er überraschen wollte, hörbar machte) und drehte die Sanduhren um. Zufrieden betrachtete er das mit Zeitmaschinen übersäte Deck, stolz auf ihre Geräusche und sicher, daß sie den Feind verwirren und sein Vordringen verzögern würden.
Nachdem er jene harmlosen Fallen aufgestellt hatte, fiel er ihnen selbst als erster zum Opfer. Während die Nacht sich über ein vollkommen ruhiges Meer senkte, ging er von einer dieser metallischen Mücken zur anderen, um auf das Ticken und Summen der toten Substanz zu hören, um jenes Rinnsal der Ewigkeit Tröpfchen für Tröpfchen fallen zu sehen, um sich zu fürchten vor jener Schar gefräßiger mundloser Motten (so schreibt er, wirklich), vor jenen gezahnten Rädern, die den Tag in Augenblicksfetzen zerrissen und das Leben in einer Totenmusik verzehrten.
Er erinnerte sich an einen Satz von Pater Emanuele:
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