Die Insel Des Vorigen Tages
sie etwas wissen, was uns noch unbekannt ist, denn - und das scheint mir evident - derjenige Staat, der das Geheimnis der Längengrade entdecken würde und zu verhindern wüßte, daß es bekannt wird, würde einen großen Vorteil über alle anderen gewinnen. Nun« - hier machte Mazarin erneut eine Pause, strich sich den Schnurrbart glatt und legte die Hände zusammen, wie um sich zu konzentrieren und gleichzeitig die Hilfe des Himmels zu erflehen: »Nun haben wir erfahren, daß ein englischer Arzt, ein gewisser Doktor Byrd, ein neues und wunderbares Mittel zur Bestimmung des Meridians erdacht haben soll, das auf dem sympathetischen Pulver beruht. Fragt uns nicht, wie, lieber San Patrizio, ich kenne nur gerade den Namen dieser Teufelei. Wir wissen mit Sicherheit, daß es sich um dieses Pulver handelt, aber wir wissen nichts über die Methode, die Byrd zu befolgen gedenkt, und unser Informant versteht nichts von Naturmagie. Sicher ist jedoch, daß die britische Admiralität diesem Doktor Byrd ermöglicht hat, ein Schiff auszurüsten, um eine Expedition in den Stillen Ozean zu machen. Die Angelegenheit ist von so großer Bedeutung, daß die Engländer Wert darauf legen, das Schiff nicht als eines der ihren erscheinen zu lassen. Es gehört einem Holländer, der sich als kauziger Sonderling ausgibt und behauptet, er wolle die Entdeckungsreise zweier seiner Landsmänner wiederholen, die vor etwa fünfundzwanzig Jahren eine neue Passage vom Atlantik zum Pazifik entdeckt hatten, jenseits der Magellanstraße. Aber da die Kosten des Unternehmens den Verdacht wecken könnten, daß es von interessierter Seite unterstützt wird, nimmt der Holländer offiziell Waren an Bord und ist auf der Suche nach Passagieren wie einer, der sich um die Finanzierung seines Vorhabens selbst kümmern muß. Wie zufällig werden unter diesen Passagieren auch Doktor Byrd und drei seiner Assistenten sein, die sich als Sammler exotischer Pflanzen ausgeben. In Wahrheit werden sie die volle Kontrolle über das Unternehmen haben. Und auch Ihr werdet unter den Passagieren sein, San Patrizio, unser Agent in Amsterdam wird sich um alles kümmern.
Ihr werdet ein savoyischer Edelmann sein, der überall von einem Bann verfolgt wird und es daher für klug hält, längere Zeit auf See zu verschwinden. Ihr seht, Ihr braucht nicht einmal zu lügen. Ihr werdet von sehr angegriffener Gesundheit sein - und daß Ihr wirklich ein Augenleiden habt, wie wir hören, ist ein weiterer Pinselstrich, der unseren Plan vervollkommnet. Ihr werdet ein Passagier sein, der die meiste Zeit unter Deck verbringt, mit einem Umschlag auf dem Gesicht, und der in seiner übrigen Zeit nicht weiter als bis zu seiner Nase sieht. Ihr werdet scheinbar zerstreut und ziellos umherlaufen, aber in Wahrheit die Augen offenhalten und die Ohren spitzen. Wir wissen, daß Ihr Englisch versteht, also tut so, als ob Ihr es nicht verstandet, damit die Feinde freimütig in Eurer Gegenwart reden. Wenn jemand an Bord Italienisch oder Französisch kann, stellt ihm Fragen und merkt Euch die Antworten gut. Verschmäht es nicht, vertraulich mit Dutzendmenschen zu plaudern, die sich für ein paar Münzen die Eingeweide herausziehen lassen. Aber es darf nicht viel Geld sein, damit es wie ein Geschenk aussieht und nicht wie eine Bezahlung, sonst schöpfen sie Verdacht. Fragt niemals direkt, und wenn Ihr heute etwas gefragt habt, stellt morgen die gleiche Frage noch einmal mit anderen Worten, so daß der Betreffende, wenn er beim erstenmal gelogen hat, sich in Widersprüchen verfängt; einfache Leute vergessen die Lügenmärchen, die sie erzählt haben, und erfinden am nächsten Tag entgegengesetzte. Im übrigen könnt Ihr die Lügner erkennen: Wenn sie lachen, bilden sich zwei Grübchen in ihren Wangen, und sie haben sehr kurze Fingernägel; hütet Euch auch vor den Kleinwüchsigen, die aus Aufgeblasenheit lügen. In jedem Fall seien Eure Gespräche mit ihnen kurz, und macht nicht den Eindruck, Ihr wäret mit ihnen zufrieden. Die Person, mit der Ihr wirklich sprechen müßt, ist der Doktor Byrd, und es wird nur natürlich sein, daß Ihr mit dem einzigen zu sprechen versucht, der Euch an Erziehung und Bildung gleichkommt. Er ist ein Gelehrter, er wird Französisch sprechen, vielleicht auch Italienisch, sicher Latein. Ihr seid krank, Ihr werdet ihn um Rat und Hilfe bitten. Tut es nicht jenen nach, die Maulbeeren essen oder rote Erde schlucken, um vorzutäuschen, sie spuckten Blut, aber laßt Euch nach dem Abendessen
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