Die Insel: (Inseltrilogie #1) (German Edition)
vorstellen kann.
„Nun, nicht alle waren daran beteiligt. Die Anführer dieser Landflächen – Staaten – entschieden, wann und wie sie in den Krieg zogen, auch wenn der Großteil der Menschen in ihrem Staat ihnen nicht zustimmte.“
„Etwa so wie unser Anführer“, murmle ich.
Tony nick t bedächtig. „Ja, genau wie er. Mordlustig, machtgierig, und immer, immer in Angst, diese Macht zu verlieren. So ging es bis vor einhundertfünfzig Jahren als der Anführer eines großen Staates einen mutierten Virus auf die Erde losgelassen hat. Sie nannten es biologische Kriegsführung. Er benutzte keine Waffen, um Menschen zu töten, sondern Bakterien.“
„Warum?“ Ich schaue ihn völlig schockiert an. „Würde das nicht wahllos alle Menschen töten, sogar seine eigenen Leute?“
„Nein, denn er dachte, er hätte das Virus so optimiert, dass es Menschen seiner eigenen Ra sse nicht angreifen würde. Das war zumindest der Plan. Das Endergebnis dieser Krankheit war, dass Erwachsene an der Infektion starben und sie kaum einen Effekt auf Kinder hatte.“
„Kinder...“ Ich schlucke an dem Kloß in meinem Hals. „Bis zu welchem Alter?“
„Laut den Informationen, die meine Familie von Generation zu Generation weitergegeben hat, bis zehn oder elf.“
Das Alter, in dem wir Erwachsene werden. Ist das bloß ein Zufall? Ich hole tief Luft. „Und dann?“
Tony starrt in die Ferne. „Die Menschen versuchten alles, um die Infektion zu bekämpfen – spezielle Kleidung, die den Virus fernhalten sollte, luftdichte Räume mit spezieller Ventilation. Tut mir leid, falls du nicht weißt, wovon ich rede; ich bin sicher, deine Welt kennt diese Dinge nicht. Sagen wir einfach, dass die Menschheit tapfer gekämpft hat, aber es half nichts. Die einzige Möglichkeit zur Flucht vor dem Virus war, das Festland zu verlassen. Die Menschen flüchteten zur Küste. Sie wollten Schiffe nehmen und wegfahren, in der Hoffnung, das Virus könnte ihnen nicht über das Wasser folgen, wenn sich nur gesunde Menschen an Bord befänden. Das ist einer der Gründe, warum einige Menschen überlebten. Aber viele starben danach an den Bomben.“
„Was sind Bomben?“, flüstere ich.
„Große Waffen, stark genug, um ganze Städte oder Staaten in die Luft zu sprengen. Der Anführer eines anderen Staats warf sie auf alle großen Städte des Staats ab, das den Virus entwickelt hat. Danach ging der Krieg auf beiden Seiten weiter, bis sie keine Bomben mehr hatten oder niemand mehr da war, um den Startknopf zu drücken. Und dann kam der giftige Regen.“
Es schüttelt mich. Das ist also die Wahrheit. Die Insel ist ein Paradies im Vergleich dazu, was auf der anderen Seite des Meeres liegt.
„Aber das ist jetzt alles vorbei“, versichert mir Tony als er die Ernüchterung auf meinem Gesicht sieht. „Einhundertfünfzig Jahre sind seither vergangen und die Überlebenden und deren Nachkommen haben es geschafft, eine bessere Welt aufzubauen. Wir leben verstreut und lassen einander in Ruhe. Wir kommen nur zusammen, um unser Wissen zu teilen, nicht mehr. So vermeiden wir Konflikte.“
Wir haben uns nur eine kurze Zeit unterhalten, aber in meinem Kopf bin ich nun zehn Jahre älter. Wir mögen vielleicht nicht allein sein, aber es fühlt sich verdammt so an. Unsere Insel ist nur ein unwichtiger Punkt auf der Karte einer riesigen Welt, von der wir nichts wissen – ein kleiner Stern am Nachthimmel, direkt neben dem hell leuchtenden, vollen Mond.
Das bringt mich zu einer neuen Frage. „Wie habt du und Henry uns dann überhaupt gefunden?“
„Weil eure Vorfahren eine Nachricht hinterlassen haben, die nicht verloren gehen konnte“, antwortet Tony geheimnis voll.
Bevor ich ihn fragen kann, was er damit meint, kommt Walt zu uns rüber geeilt. „Der Buchhüter hat Männer gefunden, die kämpfen werden.“ Er zeigt auf den Hafen. „Jetzt brauchen wir dich als Navigator, Leia.“
Auf dem Kai sehe ich eine Gruppe von Menschen zusammen geschart; sie betreten die Entdecker über die Landungsbrücke einer nach dem anderen. Männer, die sich zusammen gefunden haben, um Saul ein für alle Mal loszuwerden – doch sie werden dabei unsere Art zu Leben zerstören.
So sehr es auch schmerzt, so glaube ich, es ist Zeit.
Es ist Zeit für die Wahrheit.
-13-
DAS SCHIFF gleitet sanft durch die Wellen. Obwohl die See ruhig ist, fühle ich mich nicht ganz sicher auf den Beinen, also halte ich mich an der Reling fest. Vielleicht dreht sich mir auch alles wegen der
Weitere Kostenlose Bücher