Die Insel: (Inseltrilogie #1) (German Edition)
beenden.
„Ich schlage vor, wir gehen zurück zum Haus und schlagen alle Fenster und Türen ein. Wir machen so lange weiter, bis Saul keine andere Wahl hat, als Andy freizulassen und sich zu ergeben. Und wenn er das nicht tut, räuchern wir ihn aus.“ Meine Augen nehmen all die Fackeln auf, die die Dörfler tragen. Das Flackern der Flammen gibt dem Platz eine makabere Atmosphäre. „Wir brennen es ab.“
„Das Herrenhaus abbrennen? Aber wo werden die Jugendlichen dann wohnen?“, ruft Maras Mutter aus dem Kreis.
„Hier.“ Ich zeige entschieden um mich herum. „Sie werden genau hier leben. Mit euch, im Dorf. Wir gehören zusammen.“
Ich kann nicht erklären, warum ich das weiß, es ist einfach so. Tony wird ihnen später alle nötigen Erklärungen geben. Jetzt gerade ist es nur wichtig, dass wir zusammen gehören und auf einander angewiesen sind. Tief drinnen habe ich schon immer darauf gehofft. Ich hätte es niemals laut aus gesprochen, so wie Colin, aus Angst, lächerlich gemacht zu werden – oder schlimmer noch, enttäuscht zu werden. So enttäuscht wie ich es war an dem Morgen als ich auszog und meine Mutter mir nicht in die Augen schauen konnte. Aber jetzt ist es nicht mehr nur Hoffnung. Jetzt ist es Glauben. Ich glaube es wahrhaftig und diese Wahrheit kommt von tief in mir. Eine Wahrheit, die man mir nicht beigebracht, sondern die ich selbst erkannt habe.
Während die Männer aus dem Dorf sich zusammentun und sich den Rängen der Armee des Buchhüters anschließen, kommt Colin zu mir gerannt. „Andy war nicht schnell genug, die Schrift zu verstecken“, sagt er niedergeschlagen. „Ich denke, Saul hat sie zurück gestohlen. Er hat sie vielleicht sogar zerstört.“
„Das ist nicht mehr wichtig“, antworte ich. „Tony hat mir erzählt, unsere Vorfahren haben uns eine Nachricht zurück gelassen, die nicht verloren gegangen ist und auch niemals verloren sein wird.“
„Wirklich? Was für eine Nachricht?“
„Ich bin mir sicher, er wird uns alles darüber erzählen.“
Ein wenig später machen wir uns auf den Weg zu dem Haus, in dem und um das ich die letzten sechs Jahre meines Lebens verbracht habe. Ich gebe es ungern zu, aber ich bin tatsächlich entzückt von dem Gedanken, es in Flammen auf gehen zu sehen. Es hat sich mehr als ein Gefängnis als ein Zuhause angefühlt, selbst wenn Luke und Leia einmal dort gelebt haben sollen. All die Dinge, die in diesem Haus geschehen sind, hätten niemals ihre Zustimmung bekommen, da bin ich mir sicher.
Obwohl wir jet zt über zweihundert Mann sind, wie wir durch den Wald stapfen, ist es merkwürdig ruhig. Keiner spricht. Erst als das Landgut in Sichtweite kommt, erhebt sich ein Summen in den Reihen unserer „Soldaten“. Die Menge wird wie ein Mann schneller, trägt hunderte Fackeln und murmelt Flüche. Es dauert nicht lange bis wir den Eingang des Hauses erreicht haben. Der Älteste tritt vor.
„Saul, komm da raus!“, ruft er mit hallender Stimme. „Es ist vorbei. Du kannst das nicht gewinnen.“
Nichts geschieht.
Genau in diesem Moment segelt ein Stein an meinem Kopf vorbei durch die Luft. Er trifft die Haustür mit einem dumpfen Schlag. Es scheint das Signal für eine ungeplante Attacke zu sein, denn mehr Projektile werden geworfen: Zweige, Steine, brennende Fackeln.
„Stopp!“ Der Älteste ruft, als sich die Tür schließlich einen Spalt breit öffnet. „Es kommt jemand.“
Saul tritt heraus, sein Gesicht fahl. Er hat Andy mit einem Seil an Armen und Handgelenken gefesselt und hält das Seil mit hartem Griff fest. In seiner anderen Hand hält er eines der blutigen Schwerter aus dem Speisesaal.
„Wenn ich untergehe, geht Andy mit mir“, bellt er zurück. „Wenn ihr mir ein Haar krümmt, dann schwöre ich, wird er es nicht überleben.“
„Was glaubst du, was du da tust, Saul?“, appelliere ich an ihn. „Was willst du damit erreichen? Wofür kämpfst du?“
Saul starrt mich mit tödlichem Blick an. „Das ist unsere Welt“, tobt er und seine Stimme bricht. „Eine Welt ohne Hilfe oder Unterstützung von anderen. Eine Welt ohne Eltern. Das ist die Wahrheit. Und niemand wird uns etwas anderes erzählen. Niemand wird mir etwas anderes erzählen.“
„Das ist nicht wahr“, argumentiere ich. „Die Eltern sind für uns da.“
„Deine, vielleicht“, blafft Saul. „Ich habe niemanden. Ich bin allein.“
Er hat recht. Erst jetzt erinnere ich mich daran, dass Saul und Ben keine Eltern haben. Sie sind Waisen. Niemand hat sich je
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