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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Golowanow
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Sandinseln, vor dem offenen Meer geschützt sind. Je größer der Abstand vom Dorf, desto höher ist der Ertrag an Wild, Pilzen und Beeren. So stehen dort auf dem Küstenstreifen an die zwei Dutzend Baloks, aber mit dem Boot hinter die Koschki hinauszufahren, ins offene Meer, wagt niemand, und das einzige den Wellen standhaltende Schiff – die sowchoseeigene »Dora« (eine große Schaluppe) – ist ständig defekt. Somit sind die entlegeneren Punkte der Insel, ob im Innern oder an der Küste, für die meisten Bewohner praktisch unerreichbar.
    Nach den von Sinaida Folmer – der Leiterin des Feldscher- und Hebammenpunkts – zur Verfügung gestellten Daten sind die Haupterkrankungen auf Kolgujew Ischämie, Herzrheuma, Hypertonie, Gastritis und Alkoholismus.
    Unter fachärztlicher (Dispensaire-)Betreuung stehen 102 Patienten: 70 wegen verschiedener Herzerkrankungen oder Hypertonie, 9 wegen geschlossener, 1 wegen offener Tuberkulose.
    Während der Anti-Alkohol-Kampagne 1985/86 diagnostierte ein eigens angereister Suchtmediziner, dem Krankheitsbild »Alkoholismus und allgemein verbreitete Trunksucht« ließen sich wohl 86 Personen zuordnen. Abgesehen vom Anteil des Absurden an diesem Befund entspricht er den Realitäten. Armut, Arbeitslosigkeit, das Unvermögen, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen, und »Perspektivlosigkeit« veranlassen sehr viele zum Trinken. Auch wenn inzwischen die Spirituosen wieder frei verkäuflich sind, ist der Wodkapreis auf Kolgujew doch dermaßen hoch, dass die echten Trinker ihren Alkohol weiter bei den Matrosen eintauschen.
    Dem ehemaligen Sowchosedirektor zufolge beginnen die Männer zu trinken, sobald sie sich Familie zulegen – also die letzte Illusion von Freiheit verlieren –, aber auch Frauen greifen zur Flasche. Unter den momentanen harten Lebensbedingungen verschlechtert sich der Zustand der Alkoholabhängigen rasant, sie wirken unterernährt, fühlen sich im Stich gelassen, aufgegeben und sind überzeugt, bald zu sterben.
    Alkoholpsychosen oder Streit und Schlägereien im Rausch sind häufig und gehen über in längerfristige, raffiniertere Feindseligkeiten.
    Suizide gab es 1993 drei. In allen drei Fällen waren es Männer mittleren Alters, die nach einem Besäufnis Hand an sich legten, aber der tiefere Grund ist ein generelles Gefühl von Ausweglosigkeit.
    Ein Junge starb 1993 im Internat, nachdem er Bremsflüssigkeit getrunken hatte.
    Weil kinderreiche alkoholabhängige Eltern die staatliche Unterstützung häufig vertrinken, wurde beschlossen, das Kindergeld direkt ans Geschäft zu überweisen und es den Betroffenen in materieller Form (Konserven, Brot, Zucker und andere Lebensmittel) zukommen zu lassen.
    Die medizinische Versorgung auf der Insel ist kostenlos, Flüge zu einer Behandlung außerhalb oder wegen einer Operation werden vom Staat übernommen. Aber Arzneimittel sind wegen der steigenden Preise für die Patienten unerschwinglich.
Schlussbemerkung
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    Die einzige Verkehrsanbindung der Insel besteht in der Hubschrauberlinie von und nach Narjan-Mar. Die Schiffsverbindung Archangelsk–Kolgujew–Nowaja Semlja wurde schon mit der Umwandlung Nowaja Semljas zum Atomtestgebiet eingestellt, inzwischen ist auch die über Kolgujew führende Verbindung von Archangelsk nach Narjan-Mar abgeschafft. Somit ist die Insel von allen wichtigen Arterien des Hohen Nordens abgeschnitten. Es gibt schon lange keinen Lebensmittel- und Treibstoffvorrat »auf ein Jahr voraus« mehr. Diesbezüglich befindet sich Kolgujew in einer ebenso verzweifelten Lage wie alle abgelegenen Siedlungen längs des Nördlichen Seewegs.
    Der Hubschrauber kommt zweimal im Monat. Doch obwohl subventioniert, können sich die meisten Kolgujewer nicht einmal einen Flug nach Narjan-Mar leisten. Deshalb verbringen sie größtenteils ihren Urlaub »in der Tundra«, auf der Jagd und mit Beereneinkochen.
    Neben Bugrino gibt es auf Kolgujew noch zwei weitere Siedlungspunkte: einerseits den Sewerny-Leuchtturm (der mit 4-5 Personen besetzt ist) und das Dorf Sewerny (hier waren bis vor kurzem Armeeeinheiten stationiert) und andererseits die Geologenbasis an der Pestschanka, auf der die Ölarbeiter von Murmanskgeologija im Schichtsystem arbeiten. Zu ihnen hat Bugrino praktisch keinen Kontakt, denn die drei auf einer Insel gelegenen Ortschaften verbindet nichts: Sie unterstehen unterschiedlichen Behörden, die wiederum ihrerseits unterschiedliche territoriale Zugehörigkeiten haben.
    Selbst wenn ein Nenze aus Bugrino

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