Die Insel - Roman
die Mutter der beiden Mädchen. Vor ein paar Nächten ist sie weggelaufen, aber sie haben sie geschnappt und fertig gemacht.«
»Das hat Erin mir erzählt«, sagte ich.
»Die armen Mädchen«, sagte Billie so leise, dass die Zwillinge es nicht hören konnten. »Sie haben noch viel Schlimmeres durchmachen müssen als wir. Sind schon seit einem Monat in den Käfigen und haben Vater und Mutter verloren. Und … Wesley und Thelma tun ihnen wirklich üble Dinge an. Mein Gott, es sind doch noch Kinder!«
»Kinder mit Titten und Mösen …«
»Halt den Mund, Connie!«, zischte Kimberly und fügte mit sanfterer Stimme hinzu. »Erzähl Rupert, was du über Wesley und die Insel herausgefunden hast, Billie. Er muss das wissen.«
»Ja, damit er es in sein blödes Tagebuch schreiben kann«, maulte Connie.
»Führst du es immer noch?«, fragte Kimberly.
»Momentan nicht. Mir ist das Papier ausgegangen.«
»Wie schade«, sagte Connie.
»Schreib es zu Ende, wenn du uns gerettet hast. Damit klar wird, dass Wesley alles von langer Hand geplant hat.«
»Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass der jemals vor Gericht gestellt wird«, sagte Connie.
»Darum geht es nicht. Auf jeden Fall ist es gut, dass Rupert alles genau aufgeschrieben hat. Vielleicht ist das später mal die einzige Möglichkeit, wie jemand herausfinden kann, was hier passiert ist.«
»Wenn ich dann tot bin, ist mir das scheißegal«, sagte Connie.
»Erzähl weiter, Billie.«
»Okay. Wo waren wir?« Billie dachte ein paar Sekunden nach, dann sagte sie: »Wesley fing also an, sich nach einer Insel umzusehen. Erst dachte er an Inseln in Seen und Flüssen in Wisconsin oder Michigan. Er konzentrierte sich auf den Mittleren Westen, weil er ursprünglich aus Chicago stammt. Irgendwann hat er dann aber über den Tellerrand hinausgeschaut und ist ziemlich schnell auf die Bahamas gekommen. Herrliche tropische Inseln, die direkt vor der Küste von Florida liegen, und Hunderte von ihnen völlig unbewohnt. Das hat für Wesley schließlich den Ausschlag gegeben.«
»Aber diese Insel ist nicht unbewohnt«, gab ich zu bedenken.
»Die hat er sich wegen der Käfige ausgesucht. Er hat davon in einem alten Zeitschriftenartikel gelesen und …«
»Erin und Alice haben mir alles darüber erzählt.«
»Wahrscheinlich hat er geglaubt, dass ihm eine gute Fee alle seine Wünsche auf einmal erfüllt hat«, ließ Kimberly sich vernehmen.
»Stimmt«, fuhr Billie fort. »Er hat mir erzählt, dass es ihm fast unheimlich war, wie plötzlich alles zusammengepasst hat: Erst findet er einen Ort, der - zumindest auf dem Papier - ideal dafür geeignet ist, seine perversen Tagträume in die Wirklichkeit umzusetzen, und dann lassen Andrew und ich uns auch noch von ihm diese Familienreise zu unserem zwanzigsten Hochzeitstag aufschwatzen.«
»Anfangs klang es ja wirklich toll«, gab Kimberly zu.
»Und es war auch toll … bis … »Billie hörte auf zu sprechen. Ich hörte, wie sie leise zu weinen anfing.
Wegen Andrew, vermutete ich, aber vielleicht auch wegen all der anderen schrecklichen Dinge, die diesen Familienausflug zu einem Horrortrip schlimmster Sorte gemacht hatten: Sie und Kimberly waren zu Witwen geworden, Connie, Kimberly und Thelma hatten ihren Vater verloren, und jetzt waren bis auf Thelma alle Frauen der Familie in alten Affenkäfigen eingesperrt und mussten sich für Wesleys abartige Spielchen bereit halten. Davon, dass Erin und Alice ihre Eltern verloren hatten und schon viel länger seine widerlichen Perversitäten erdulden mussten, einmal ganz abgesehen.
Alle fünf in den Käfigen eingesperrten Frauen und Mädchen hatten den Verlust geliebter Menschen zu beklagen, alle fünf waren von Wesley und Thelma auf Ekel erregende Weise gequält, ausgepeitscht und vergewaltigt worden.
Es war ein Wunder, dass sie sich nicht alle die Augen aus dem Kopf weinten.
Allerdings kann man nicht die ganze Zeit heulen. Jetzt war eben Billie dran.
Kimberly hielt immer noch mein Handgelenk.
»Lass mich los, bitte«, flüsterte ich.
Ihr Griff öffnete sich, und ich tastete mich weiter an ihrem Käfig entlang hinüber zu dem von Billie. Sie weinte immer noch.
»Billie?«, flüsterte ich.
»Rupert?«
Ich drückte meinen Körper an die Gitterstäbe und streckte beide Arme in den Käfig hinein. »Hier bin ich.«
Sie fand meine Arme und kuschelte sich hinein, bis wir uns mit zwei Gitterstäben zwischen uns fest und innig drückten. Sie schluchzte weiter leise vor sich hin,
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