Die Insel - Roman
eine durchgedrehte, von Eifersucht geplagte Frau damit ganz fürchterliche Sachen anstellen könnte.
Keine Ahnung, wo Thelma es auf einmal herhatte.
Ich weiß nur, dass sie mir damit den Unterleib aufschlitzen wollte.
Ich schrie erschrocken auf und warf mich nach hinten. Die Klinge verfehlte mich nur knapp.
Dann sah ich, wie Thelma die Hand mit dem Rasiermesser nach oben riss und spürte, wie die Klinge nur Millimeter von meinem Gesicht entfernt nach oben schoss. Um ein Haar hätte sie mir die Nase gespalten.
Dann schlug ich rücklings auf den Sand, stemmte mich aber sofort mit beiden Ellenbogen wieder hoch. Ich war mir nicht sicher, ob ich nach ihr treten oder rückwärts von ihr wegkrabbeln sollte.
Im Moment schien sie mich nicht verfolgen zu wollen. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht und sah zu den Schlafplätzen.
Ob Kimberly wohl aufgewacht war?
Ich verschwendete keine Zeit damit, darüber nachzudenken, was Thelmas Aufmerksamkeit erregt hatte. Wichtig war nur, dass sie einen Augenblick lang abgelenkt war.
Es verschaffte mir Gelegenheit, mehr Abstand zwischen mich und die Rasierklinge zu bringen.
Auf Ellenbogen und Fersen schob ich mich so rasch ich konnte über den Sand nach hinten.
Thelma bemerkte es sofort.
Als sie mich ansah, fing ich so laut ich konnte zu schreien an. »Hilfe! Hilfe!«
Thelma rutschte auf mich zu wie jemand, dem man die Beine knapp unterhalb der Knie abgeschnitten hatte. Weil ihre Shorts immer noch herunterhingen, konnte sie sich nicht schnell genug bewegen. Zum Glück.
Es war echt ein irrer Anblick, wie sie, das im Feuerschein blitzende Rasiermesser hoch über den Kopf erhoben, mit einem wahnsinnigen Grinsen auf dem geschwollenen Gesicht hinter mir herwackelte und ihr nacktes, geschundenes und viel zu hell beleuchtetes Fleisch bei jeder Bewegung hin und her wogte.
»Bleib liegen!«, schnaufte sie. »Bleib liegen, du kleiner Schwanzlutscher!«
Ich rief weiter um Hilfe.
Und dann sah ich auf einmal nicht weit von meinem linken Ellenbogen entfernt die Axt im Sand liegen. Ich packte sie am Griff und zog sie heran.
»Thelma!«
Thelma schaute in die Richtung, aus der Kimberlys wutverzerrte Stimme gekommen war. Dann holte sie tief Luft. Und stürzte sich auf mich.
Ich schlug mit der Axt zu, so fest und so rasch ich konnte.
Die flache Seite des stählernen Blattes traf Thelma am Unterarm.
Am rechten Unterarm.
Sie schrie auf und ließ das Rasiermesser fallen.
Und dann fiel sie nach vorne. Ihr Kopf traf mich genau zwischen den Beinen. Es war, als hätte mir jemand einen Tritt in die Eier versetzt.
Einen Sekundenbruchteil später hatte sie sich schon wieder von mir heruntergewälzt und sprang, seltsam grunzende Geräusche von sich gebend, auf die Beine. Dann zog sie ihre Shorts hoch und rannte, die Hose mit beiden Händen festhaltend, so schnell sie konnte hinunter zum Wasser.
Kimberly war ihr dicht auf den Fersen.
Sie war schlank und schnell und bis auf ihren weißen Bikini in der Dunkelheit kaum zu erkennen.
Kurz bevor Thelma das Wasser erreichte, holte Kimberly sie ein und warf sich von hinten auf sie.
Leider wirbelte Thelma im letzten Moment herum und schlug Kimberly ihren Ellenbogen mitten ins Gesicht. Kimberly fiel wie ein gefällter Baum der Länge nach ins flache Wasser, und Thelma rannte weiter.
Ich hatte mich inzwischen auf meine Knie hochgerappelt, war aber vor lauter Schmerzen noch wie gelähmt.
Drüben am Schlafplatz hatte sich Connie aufgerichtet und starrte zu mir herüber. Natürlich war sie zu kaputt, um uns zur Hilfe zu kommen, und Billie wagte es nicht, sie allein zu lassen. Sie stand mit einem Speer in der Hand neben ihr und schien wild entschlossen, ihre Tochter gegen einen möglicherweise vom Dschungel her angreifenden Wesley zu verteidigen.
Ich stand mühsam auf und humpelte hinunter zur Bucht, wo Thelma durch hüfthohes, schwarzes Wasser watete. Ich konnte sie nicht besonders gut sehen, aber einen Augenblick lang hatte ich den Eindruck, als ob sie zurück an den Strand käme. Ich drehte mich um und holte die
Axt. Vielleicht kam Thelma ja aus dem Wasser, um Kimberly den Rest zu geben.
Als ich schließlich neben Kimberly stand, bereit, sie mit der Axt zu verteidigen, bemerkte ich, dass ich mich geirrt hatte. Thelma kam gar nicht zurück. Im Gegenteil, sie war schon so weit draußen in der Bucht, dass ich sie nicht mehr einholen konnte.
Also ging ich zu Kimberly, um ihr zu helfen.
Sie stand auf allen vieren und ließ den Kopf hängen, so dass
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