Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
Vom Netzwerk:
er sich nur wenige Zentimeter oberhalb der Wasseroberfläche befand. Als ich bei ihr ankam, blickte sie nicht auf.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich sie.
    Sie gab keine Antwort.
    »Kimberly?«
    »Du musst ihr hinterher«, keuchte sie. »Lass sie nicht entkommen.«
    Ich schaute nach Thelma, die schon fast an der Felsspitze war, und sagte: »Die erwische ich nicht mehr. Sie ist schon verdammt weit draußen.«
    »Verdammte Scheiße, Rupert«, knurrte Kimberly.
    Sie stöhnte.
    »Kann ich dir helfen?«
    »Rühr mich nicht an.«
    Sie klang angewidert.
    »Es tut mir Leid«, sagte ich.
    »Es tut dir Leid, großer Gott! Davon wird auch nichts besser.«
    »Sie hätte mich fast umgebracht.«
    »Das wäre kein großer Verlust gewesen.«
    Langsam begann ich mir zu wünschen, Thelma hätte mich wirklich umgebracht.

    »Okay«, sagte ich. »Wenn du willst, schwimme ich ihr hinterher. Und was soll ich tun, wenn ich sie erwische? Soll ich sie zurückbringen? Oder soll ich versuchen, sie zu töten? Dazu bräuchte ich aber ein Messer oder irgendwas. Kannst du mir dein Messer geben?«
    »Lass gut sein«, sagte Kimberly, die immer noch den Kopf hängen ließ. »Vergiss es einfach. Leg dich auf’s Ohr oder mach sonst was. Scheiße!«
    Ich hatte mich noch nie so mies gefühlt. Mann, ich spürte genau, wie angewidert sie von mir war. Sie hielt mich für einen erbärmlichen Versager.
    Was ich ja auch bin.
    Ich beschloss, ihrem Rat zu folgen und mich hinzulegen. Aber da gab es ein Problem: Billie und Connie, die eng nebeneinander am Lagerplatz standen. Als ich sie sah, brach ich in Tränen aus und schluchzte hemmungslos.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Billie, die nicht so klang, als ob ich sie anwidern würde. Eher schien sie sich Sorgen um mich zu machen.
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Thelma ist geflohen. Es ist meine Schuld.«
    »Das ist wieder typisch für dich«, sagte Connie.
    »Sei du bloß still«, fuhr Billie sie an. Dann steckte sie ihren Speer in den Sand, trat auf mich zu und schloss mich in ihre Arme.
    Es kam mir vor wie die freundlichste Zuwendung, die ich jemals von einem Menschen erhalten habe.
    Billies Körper fühlte sich weich, warm und sanft an, und sie streichelte mir mit einer Hand übers Haar und mit der anderen über den Rücken, während ich mich Wange an Wange mit ihr ausheulte. Dabei murmelte sie die ganze
Zeit: »Ist ja gut, Schatz. Ist schon okay. Du wirst sehen: alles wird wieder gut.«
    Sie ist die beste Frau, die ich kenne.
    Dank ihrer Fürsorge beruhigte ich mich ziemlich rasch. Dann kam Kimberly, und ich löste mich aus Billies Armen und drehte mich um. Ich war bereit, ihre Standpauke über mich ergehen zu lassen.
    »Alles in Ordnung, Rupert?«, fragte sie.
    »Nein, nichts ist in Ordnung. Ich habe fürchterlichen Mist gebaut.«
    »Aber du bist nicht verletzt, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie hat sie sich bloß befreien können?«, fragte Connie.
    »Ich … ich habe sie losgebunden.«
    »Bist du denn komplett verrückt geworden?«
    Billie legte mir von hinten eine Hand an den Nacken und streichelte ihn sanft.
    »Wir reden morgen früh über alles«, sagte Kimberly. »Legt euch schlafen, ich werde Wache halten.«
    »Es tut mir wirklich Leid«, sagte ich.
    »Was geschehen ist, ist geschehen«, erwiderte sie und wandte sich ab, um zum Feuer zu gehen.
    Das war so ziemlich alles über die vergangene Nacht.
    Mehr als genug, für meinen Geschmack. Abgesehen davon, dass eine Menge Dinge passiert sind - gute und schlechte und ziemlich unheimliche -, hat es mich fast den ganzen Morgen gekostet, alles aufzuschreiben.
    Und ich bin noch nicht einmal auf dem neusten Stand.

Das Verhör
    Wenigstens hatte ich die ganze Nacht lang Zeit zum Überlegen, wie ich den anderen das Fiasko mit Thelma erklären sollte. Ich wollte es ihnen so erzählen, dass ich nicht völlig wie ein leichtgläubiger, perverser Einfaltspinsel dastand.
    Natürlich gab es da einiges, was ich ihnen lieber nicht erzählen wollte.
    Leider fiel mir das Nachdenken sehr schwer. Je länger ich auf meinem »Bett« lag und versuchte, mir eine überzeugende Lüge auszudenken, desto mehr kehrte ich zu dem zurück, was wirklich geschehen war. Wieder und wieder spielte es sich in meinem Kopf ab. Es war weniger die Erinnerung an vergangene Ereignisse als ein echtes Nachleben all meiner Gefühle - der Verwirrung, der Angst, der Aufregung, der Ablehnung, der Geilheit und des Schreckens -, wenn auch in milderer Form als zuvor in der Wirklichkeit. Und in

Weitere Kostenlose Bücher