Die Insel und ich
Haus mieten», sagte ich flehend zu Mr. Swanson von der Agentur Trautes Heim.
«Und ich möchte gern eine Million Dollar haben, hahaha», lachte er.
«Ich möchte gern ein möbliertes Haus …», sagte ich traurig zu Mrs. Wirts im Büro der Agentur Ein Heim auf dem Lande: wir helfen jedem!
«Sie wissen wohl nicht, daß Krieg ist?» keifte Mrs. Wirts mich an, ohne sich von ihrem Stuhl zu mir zu bemühen.
«Ich möchte gern ein möb…», sagte ich leise zu Mr. Evinrude von der Firma Evinrude and Fester, Unsre Spezialität: Blick aufs Wasser .
«Hören Sie mal, meine Dame», rief Mr. Evinrude, sprang auf und bedrohte mich mit seinem Eversharp-Bleistift, «seit vierzehn Monaten haben wir keinen Mietvertrag mehr abschließen können, und so wird’s auch die nächsten vierzehn Monate bleiben. Es ist nämlich Krieg, falls Sie’s noch nicht gemerkt haben.»
«Ich möchte gern ein…», sagte ich matt zu Miss Chunk von der Villenagentur.
«Es ist Krieg … die Flugzeugfabriken … die Hafenarbeiter … Alaska … die Schiffswerften.» Es klang einleuchtend genug, und trotzdem glaubte ich es nicht. Denn lange nach dem Kriege, als alle Kriegshilfskräfte heimgewandert waren, funktionierten die Häusermakler noch immer nicht. Meine Schwester wollte sich damals ein Haus mit vier Zimmern für zwanzigtausend Dollar kaufen und lief zu etwa fünfzehn Agenturen, doch überall hieß es, sie könne nichts bekommen, wenn sie nicht mindestens fünfunddreißigtausend aufwende. Zur gleichen Zeit wollte eine ihrer Nachbarinnen ein Haus mit vier Zimmern für zwanzigtausend Dollar verkaufen, doch auf der Agentur sagte man ihr, sie könne froh sein, wenn sie es für siebentausend loswürde. Meine Schwester und die Nachbarin kannten sich nicht und waren unabhängig voneinander bei der gleichen Agentur gewesen. Doch erst nach vier Monaten, als sie sich durch den Milchmann kennenlernten, erfuhren sie von ihren beiderseitigen Wünschen und kamen mit Leichtigkeit zum Ziel.
Da ich im Laufe der vergangenen zwölf Jahre mit etwa hundertsiebenundneunzig Häusermaklern zu tun hatte – als Käuferin wie auch als Verkäuferin – kann ich ein paar einfache Warnungen aufstellen:
1. Makler wollen alles von einem wissen, sogar Alter und Gewicht.
2. Kein Makler läßt sich mit Lebensmitteln bestechen. Eine Mrs. Marks erklärte mir einmal offenherzig – mitten im Kriege: «Hab mir eigentlich nie viel aus Kalbsnierenbraten gemacht.»
3. Wenn man ausdrücklich betont, daß man ein möbliertes Haus am Wasser mieten möchte, muß man sich darauf gefaßt machen, während der nächsten Monate lauter unmöblierte, verkäufliche Häuser auf dürren Hügeln zu besichtigen. Nicht einmal eine Aussicht auf ein Zipfelchen Wasserfläche darf man erwarten, trotzdem es ja hier in jeder Himmelsrichtung Seen und Meeresarme gibt.
4. Vergiß nie: «Stattliches weißes Haus im Kolonialstil» bedeutet nichts weiter, als daß ein simples Holzhaus vor vielen Jahren weiß angestrichen wurde. «Witwenparadies» bedeutet meistens, daß es einer Witwe gehört, die es an eine ebensolche losschlagen will. «Ländliche Umgebung» ist jeder Abfallhaufen, jede Tankstelle und Hauswand, jede Kläranlage und jedes Straßenbahndepot. «Bergige Aussicht» bedeutet: die kleinste Bodenerhebung, beim Maulwurfshügel angefangen. «Waldige Aussicht»: eine magere Tanne mit zwei Zapfen. «Richtige Umgebung für eure Kleinen»: in nächster Nähe von Autostraßen, Gaswerken und Kneipen.
Von den fünf größeren Inseln in der Nähe Seattles, die alle von felsigen Buchten oder schönem Sandstrand umkränzt sind und sowohl Ferien- wie Dauer-Wohnungen haben, sollten doch einige auch Häuser zum Vermieten anbieten, glaubten wir. Doch als ich einen halbwegs intelligent aussehenden Häusermakler daraufhin ansprach, sah er mich entgeistert an. «Die Insel Vashon? Und Bainbridge? Und Whideby?» fragte er ungläubig. «Wie sind Sie denn bloß auf die Idee gekommen, daß man dort wohnen könne? Lieber Himmel, ich lebe seit einunddreißig Jahren in Seattle und bin noch nie drüben gewesen. Dagegen hab ich hier etwas Reizendes für Sie: ein schmuckes Traumhaus an der Autostraße Neunundneunzig …»
Nachdem ich auch den zehnten Makler vergebens ausgefragt hatte, sagte ich zu Don: «Laß uns lieber selbst etwas unternehmen!» Zuerst erforschten wir die Bainbridge-Insel, weil ich als kleines Mädchen oft drüben gewesen war und angenehme Erinnerungen an schön möblierte, geräumige
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