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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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neuen Freundin nur liebenswerte kleine Verrücktheiten.
    Im Sommer danach bekam Joan eine Stelle als Empfangsdame in einem vornehmen Modesalon. Das Universitätsgelächter hatte sie abgelegt und trug statt dessen «elegante» Kleider und die Sorgenfalten einer Rechnungs-Empfängerin. Manchmal war sie jedoch schon ganz nett, und dann hatten Don und ich ja auch Anne, die uns half, mit Joan fertigzuwerden. Im Januar heiratete Anne – nicht den «Schleicher Bradley» –, und wärend der fieberhaften Hochzeitsvorbereitungen wurde plötzlich auch eine angenehme, lustige, zärtliche, sympathische, erwachsene Joan geboren.
    Jetzt sind beide verheiratet und jede hat drei Kinder. Sie lieben ihre Männer und sind reizende Mütter und ausgezeichnete Hausfrauen, die wunderbar kochen können. Don und ich sind sehr stolz auf sie, doch was uns wichtiger ist, sie lieben uns. Ihre Männer haben uns auch gern, und wir sind gute Freunde. Manchmal sind wir so gut Freund, daß ich alle sechs Babies auf einmal bekomme – das älteste ist vier Jahre alt! Aber so liebe ich es gerade, und es ist auch gut für meine Linie. Ich muß nämlich jetzt auch «elegante» Kleider tragen. Obwohl also Anne und Joan erwachsen und Don und ich in den Vierzigern und sechsfache Großeltern sind, hat sich die Insel Vashon inzwischen nicht sehr verändert. Es gibt ein paar häßliche Halvorsen-Häuser und ein paar Reklameschilder an den Straßen mehr (sicherlich unerlaubterweise), samstags sind eine ganze Menge ausländische Wagen und Cadillacs im Städtchen, das Kino hat drei-, viermal den Besitzer gewechselt, das Falkennest ist abgebrannt, es wird immer noch von einer Brücke vom Festland herüber gesprochen, der Telefondienst ist ein ganz klein bißchen besser, obwohl wir uns immer noch mit vierzehn Familien in eine Hauptnummer teilen, und die Lichtrechnungen sind viel höher geworden. Essen, Schlafen, Heizen und Leben ist ein wenig leichter als es früher war, hat aber immer noch wenig mit dem Leben in der Stadt gemeinsam. Auch jetzt haben wir noch hin und wieder Sommer, die sich vom Winter nur dadurch unterscheiden lassen, daß die Monate auf dem Kalender einen andern Namen haben.
    Das Leben ist immer ein Kampf – aber auf einer Insel hat man wenigstens das Gefühl, daß man den Kampf ganz persönlich und mit Leib und Seele aufgenommen hat. Heute zum Beispiel! Alle Viertelstunden muß ich meinen alten Strandmantel anziehen und den Pfad hinunterkraxeln, um unsre Ufermauer zu inspizieren, auf die gewaltige Wogen unbarmherzig einhämmern, und manche sind sogar mit Balken bewehrt, die sie als Rammblöcke benutzen. Ich kann weiter nichts tun, als eine Muschel aufheben, die auf die Geranien geschleudert wurde, den Gischt bewundern, der fünfzehn Meter hoch in die Lüfte steigt, und den Picknicktisch und die Bänke noch ein wenig weiter landeinwärts rücken. Wenn aber die Ufermauer durchhält – und ich bin sicher, daß sie auch diesen Sturm überstehen wird – dann wird mir zumute sein, als sei es eine ganz persönliche Heldentat von mir und als habe ich wieder einmal im Kampf gegen die Elemente gesiegt. Das Gefühl habe nicht nur ich – auch Don kennt es, und ich habe schon andre Inselbewohner sagen hören, «wir haben es mal wieder gut durch den Winter gebracht», wenn sie stolz vor ihrem Haus standen, als hätten sie es selbst gegen Sturm und Wogen, Landrutsch und Regen verteidigt.
    Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Menschen – selbst solche, deren Haus durch einen Landrutsch in den Sund gefallen ist – auf der Insel bleiben und es noch einmal riskieren. Ein andrer Grund ist natürlich der, daß jeder Inselbewohner es lächerlich findet, in einer heißen Stadtwohnung zu leben und Vitaminpillen anstatt Sonnenschein zu schlucken. Wir sind auch abgeneigt gegen die ganze Art, in der sich das Leben in der Stadt abspielt: wo Einladungen nichts weiter als geschäftliche Verpflichtungen sind und die Menschen alle herumlaufen, als trügen sie ein schweres Joch.
    Natürlich bekommen wir Inselleute die Zeitungen erst, wenn sie einen Tag alt sind, und wenn wir sie öffnen, sind all die herrlichen Morde, Überschwemmungen, Vergewaltigungen, Lynchmorde, Rauschgiftschmuggeleien durch Minderjährige und Lawinenstürze bereits einen Tag alt, und eine Lawine, die schon einen Tag alt ist, mag immer noch schlimm sein, aber sie ist nicht ganz so schlimm wie eine frische Lawine, und wenigstens haben wir Vashon-Inselleute uns schon dran gewöhnt.
    Natürlich

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