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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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unterhielten wir uns eine Weile. Sie fühlte sich unbehaglich, aber es gab keinen Hinweis auf Fieber, und was von Garwins Arznei noch übrig war, hielt die Schmerzen auf einer Ebene, mit der sie umgehen konnte.
    Da sie zum Reden aufgelegt war, befragte ich sie über ihr Leben in Cirkasenburg. Zuerst reagierte sie ausweichend, aber ich blieb beharrlich, und schließlich öffnete sie sich etwas. » Du warst in Cirkasenburg«, sagte sie. » Du weißt, wie die Leute in der Burg selbst leben. Aber vermutlich weißt du nicht, warum die Adeligen im inneren Burgbereich leben, direkt unter der Nase des Burgherrn. Es liegt daran, dass sie tun, was der Burgherr sagt – und der zieht es vor, seine Adeligen im Blick zu haben. Natürlich können sie im Sommer zu ihren eigenen Landgütern reisen, wenn auf Burg Cirkase zu viel Trubel herrscht und das Sommerfieber bevorsteht, aber den Rest des Jahres lebt jeder innerhalb der Burgmauern. Und alle haben eine Stellung zuerkannt bekommen: So ist der eine der Siegelträger oder eine andere die Herrin der Kammerzofen. Man kann sich natürlich weigern, dabei mitzumachen – aber dann würde das Landgut beschlagnahmt werden und der Posten an einen anderen übergehen, zusammen mit dem Einkommen, und man könnte nichts dagegen tun.
    So bleiben also die aristokratischen Familien im Burginnern. Jeden Tag erstatten die Männer dem Burgherrn und die Frauen seiner Gemahlin Bericht, und die beiden entscheiden, was an dem Tag von wem getan werden soll. Ob man zur Jagd aufbricht oder eines der Hofspiele spielt. Die Männer könnten zum Beispiel in die Stadt gehen, um in den Wirtshäusern zu zechen; die Frauen könnten ihre Schneiderinnen kommen lassen oder sich in den Tänzen üben. Wenn der Burgherr jemanden nicht besonders mag, gibt er ihm etwas zu arbeiten: Vielleicht muss er das Eintreiben der Steuern überwachen, oder er muss die Verhandlungen am Hof leiten. Und alle haben so große Angst davor, ihre Position zu verlieren – und ihr Einkommen –, dass sie nach seiner Pfeife tanzen. Sogar die Kinder werden in diese Verhaltensweisen einbezogen: › Nein, Liebes, du kannst heute nicht mit Nasko spielen. Das wäre nicht klug. Der Burgherr mag seinen Vater nicht mehr.‹«
    Sie zitterte. » Weißt du, was das Schlimmste ist? Aufzuwachsen und zu glauben, dass das alles normal ist. Dass es ein gutes Leben ist. Ich hätte das alles akzeptiert und wäre genauso oberflächlich geworden wie alle anderen, genauso eingeschüchtert – wenn nicht Ruarth und seine Familie gewesen wären.« Sie warf einen Blick ans Fußende ihres Bettes, wo der Vogel schlief. Er hatte den Kopf zwischen die Flügel geschoben. » Die Nachkömmlinge der Dunstigen von Burg Cirkase haben mir beigebracht, dass es noch eine andere Welt da draußen gibt, eine Welt, in der die Dinge anders laufen. Und dass es ein besserer Ort ist.«
    Ich musste die Frage natürlich stellen; ich hatte schon eine nicht unbeträchtliche Zeit damit zugebracht, darüber nachzudenken, wie ein junges Mädchen dazu kam, mit einem Vogel zu sprechen. » Wie hat es zwischen dir und Ruarth angefangen?«, fragte ich.
    Sie lachte leise. » Um das zu verstehen, musst du das Leben verstehen, das ich geführt habe. Ich habe sehr viel Zeit allein in meinen persönlichen Räumen verbracht … In den Haushalten der Adeligen haben Kinder nicht viel mit Erwachsenen zu tun, abgesehen von Bediensteten und Tanzlehrern, Fechtlehrern und Anstandsdamen und so weiter. Sie sehen nicht einmal ihre eigenen Eltern, wenn es nicht gerade einen formalen Anlass gibt. In unserer Familie war das einmal in der Woche beim Abendessen. Ich habe auch nicht oft andere Kinder gesehen. Es gab ein riesiges, kompliziertes Protokoll, das eingehalten werden musste, wenn ein adeliges Kind ein anderes sehen wollte, und das war etwas, das ich denjenigen, die auf mich aufgepasst haben, nicht gut zumuten konnte. Das Ergebnis war, dass ich sehr viel Zeit allein in meinen Zimmern verbrachte.
    Ruarth und seine Familie lebten auf meinem Fenstersims und in den angrenzenden Nischen. Der Sims war groß und sehr kunstvoll und hatte viele Spalten. Ich hatte es mir angewöhnt, Essen für sie rauszustellen. Ich fand bald heraus, dass ich sie auseinanderhalten konnte, und dass es einen gab, der besonders freundlich zu sein schien. Das war natürlich Ruarth. Nach einer Weile pflegte er in mein Zimmer zu fliegen, um ein bisschen Zeit mit mir zu verbringen. Ich war erst vier, als das anfing. Ich habe mit ihm geredet, als

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