Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
Kerzenlicht; das sanfte Licht ließ ihren Schmerz nicht so sichtbar werden und machte ihre Züge weicher, aber es war besonders ihr Mitgefühl, das sie in meinen Augen wahrhaft schön machte. » Es tut mir leid. Du hattest selbst ein so hartes Leben, dass du es geschmacklos finden musst, wie ich über den Luxus meines eigenen jammern kann.«
Ich schüttelte den Kopf. » Wir haben alle unsere Gefängnisse. Wir müssen sie nur überwinden.«
» Ja. Die Dunstigen haben mir den Weg gewiesen. Wie war das bei dir, Glut? Wie bist du da rausgekommen?«
Ich dachte nach. War es die verrückte Alte vom Friedhof Dämmerhügel gewesen, bei der ich gelernt hatte, mich auf mich selbst zu verlassen? Waren es die Menoden gewesen, die mich mit ihrer unweltlichen Wohltätigkeit auf den richtigen Pfad geführt hatten? Arnado, der mich mit der Eleganz und seiner ganz eigenen Vorstellung von Ehre vertraut gemacht hatte? Dasrick, der mir ein Ziel und eine Aufgabe im Leben gegeben hatte? Oder war es nur meine Wut gewesen – meine Empörung – über die Ungerechtigkeiten, mit denen ich durch meine Geburt zu leben hatte?
Sie schien meine Gedanken lesen zu können. » Sag mir nicht, dass es Dasrick war. Dieser Mann ist Gift. Alle Wahrer sind …«
» Oh, fang du jetzt nicht auch noch damit an. Ich höre so was schon die ganze Zeit von Thor.«
» Und er hat Recht. Würden die Wahrer nicht die knirschende Aristokratie von Cirkase stützen, weil sie Tyrannen bevorzugen, die leichter zu führen sind, wäre unser Inselreich längst ein besserer Ort. Die Wahrer predigen Gleichheit und die Möglichkeit, die Herrschenden zu wählen, aber in Wirklichkeit – bezogen auf andere Inselreiche – glauben sie, dass so etwas die Stabilität bedroht, und sorgen dafür, dass die Tyrannen an der Macht bleiben.«
» Ich glaube, Ruarth muss ein Anarchist sein, wenn er dir all diese Dinge beigebracht hat«, knurrte ich. » Du und Thor, ihr passt gut zusammen. Habt ihr auch nur irgendeine Vorstellung davon, was für eine Regierung ihr bekommen würdet, wenn alle Inselherren plötzlich verschwinden würden? Chaos würde herrschen!«
Sie schnaubte, ein ganz und gar undamenhaftes Geräusch, und wir ließen beide von dem Thema ab, aus Angst, dass es in einen Streit münden würde. Wir plauderten noch ein bisschen, aber dann rührte sie sich unruhig und versuchte, es sich bequemer zu machen. Ich gab ihr noch etwas Medizin, und sie glitt wieder in den Schlaf, während sie meine Hand hielt.
Einige Zeit später erwachte ich und stellte fest, dass ich auf der Bettkante sitzend eingeschlafen war; mein Kopf lag auf ihrem Bett. Sie schlief immer noch tief und fest. Ruarth war nirgendwo zu sehen.
Thor hatte mich geweckt, als er im Zimmer herumgegangen war. » Es geht Flamme gut«, sagte er.
Ich stand auf und versuchte, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Im Nachhinein kam mir all das, was in der Nacht passiert war, so unwirklich vor. » Thor«, sagte ich langsam und versuchte, meine Stimme leise zu halten, » wieso ist nicht einer von uns hinter dem Mistkerl hergelaufen und hat ihn mit dem Schwert aufgespießt? Wir müssen vor seiner Magie keine Angst haben.«
» Weißt du, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass er vielleicht genau das von uns gewollt hat. Ich glaube, er hat ein bisschen Angst vor uns – auf jeden Fall vor dir. Wie viel er von mir weiß, ist nicht ganz klar. Vielleicht hat er gedacht, du würdest ihm tatsächlich hinterherstürmen.«
Ich dachte darüber nach. » Du glaubst, es war eine Falle? Dass jemand wie Domino – oder sogar mehrere von seiner Sorte – mit gezogenen Schwertern bei ihm gewartet haben?«
» Es ist möglich. Ich bin sicher, dass er seinen Schutz gehabt hat, aber sein Hauptanliegen war vielleicht wirklich nur, uns zu ärgern.«
» Aber … ich bin gar nicht erst auf die Idee gekommen, ihn anzugreifen.« Ich war verblüfft und eigenartigerweise auch beschämt. » Er hat mir so viel Angst gemacht, dass ich fast wie gelähmt war.«
Er lächelte mich grimmig an. » Das ist die Ironie des Ganzen, was? Dass es ihn kümmert, meine ich. Er hat mehr Angst vor uns, als er eigentlich haben dürfte. Er weiß einfach nicht, wie es ist, Weißbewusstsein zu haben.«
Ich wusste, was er meinte. Es ging nicht einfach nur darum, dass wir die Gegenwart von Dunkelmagie spüren konnten. Wir spürten und rochen seine Falschheit, seine Bösartigkeit; wir konnten das ganze schreckliche Vermögen spüren, das damit verbunden war. Als wir es mit
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