Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
Jankos Macht zu tun gehabt hatten, waren unsere Sinne beinahe überwältigt gewesen von dem Schrecken über das, was er war, was er uns antun konnte. In der Nacht zuvor hatte ich nicht den leisesten Zweifel gehabt, dass er eine Inselkette im Meer hatte versinken lassen können, und dass er dabei gelacht hatte. Es war kein Wunder, dass es uns schwer gefallen war zu handeln.
» Dunkelmagier, Thor. Wer – was sind sie?«
» In den Schriften der Menoden steht, dass sie die Manifestationen des Seeteufels sind.«
Ich schnaubte unzufrieden. » Das sagt uns gar nichts. Werden sie so geboren oder so gemacht?«
» Du willst wissen, ob sie alle zunächst einmal als Silbbegabte leben und später bezwungen werden.«
Ich nickte. Das Gleiche hatte ich Dasrick gefragt; ich brauchte eine Bestätigung seiner Antwort.
Er schüttelte den Kopf. » Nein. Es gibt ganz sicher Fälle, in denen silbbegabte Mütter Säuglinge mit Dunkelmagie gebären, wenn sie von Dunkelmagiern mit Gewalt oder durch Verführung geschwängert werden. Das passiert genauso oft, wie Frauen ohne Silbbegabung dennoch silbbegabte Kinder haben können, sofern der Vater ein Silbmagier ist. Und ich vermute stark, dass von Dunkelmagie beherrschte Frauen ausschließlich Kinder mit Dunkelmagie hervorbringen werden.«
» Was macht sie so anders? Wieso scheinen sie sich vom Schmerz und der Verzweiflung anderer zu nähren?«
» Das weiß ich nicht. Die Erklärung der Menoden, dass alles Übel vom Seeteufel herkommt, taugt so gut wie jede andere.«
» Um an den Seeteufel zu glauben, muss man zuerst an Gott glauben«, sagte ich.
Er lächelte schwach. » Ja«, räumte er ein. » Aber nun, das tue ich ja auch.«
Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken und wechselte das Thema. » Was weißt du über die Überschwemmung der Dunstigen Inseln, Thor?«
Er zupfte an seinem Ohr, als würde es ihm helfen, sich zu erinnern. » Es gibt so viele Geschichten darüber; es ist schwer zu sagen, welche davon bloße Gerüchte sind und welche die Wahrheit wiedergeben. Ich muss zugeben, dass ich die Vorstellung immer abgelehnt habe, ein einzelner Dunkelmagier könnte eine ganze Inselkette versinken lassen, als wäre sie nichts weiter als aufgedunsener Blasentang. Mir kam das ganz ohne jede Substanz vor … Es war unbewiesen. Ich weiß, dass die Dunstigen Inseln kurz vor ihrem Untergang eine Menge Probleme hatten. Es war das Übliche: Die äußeren Inseln waren der Meinung, schlecht behandelt zu werden, zu hohe Steuern zahlen zu müssen und dafür nicht genügend zurückzubekommen. Es waren die üblichen Klagen, die wir von den Versprengten ebenfalls kennen. Ein kluger Herrscher tut etwas, bevor die Dinge außer Kontrolle geraten. Nach dem, was ich über die Dunstigen Inseln weiß, hat die Herrscherfamilie die Klagen nicht ernst genommen, so dass es schließlich zu einem Bürgerkrieg gekommen ist. Einer der Söhne des Wallherrn lief zu den Rebellen über. Beide Seiten verübten einige schreckliche Gräueltaten. Schlimmer noch, es mischten sich auch Außenstehende ein: Wie immer steckten die Wahrer ihre Nase rein, und auch die Menoden-Patriarchen waren in irgendeiner Form beteiligt, denn auf einer der äußeren Inseln besaßen sie ein großes Kloster. Darüber hinaus unterstützten die Versprengten das Herrscherhaus. Kurz vor dem Verschwinden der Inseln wurden die Rebellen in einer großen Schlacht besiegt, und viele von denen, die noch übrig waren, wurden hingerichtet. Die herrschende Armee war jetzt allerdings ebenfalls geschrumpft, und so war es kein überwältigender Sieg. Das ist alles, was ich weiß.«
» Und Morthred? Der Dunkelmagier?«
» Gerüchte, die nachher entstanden sind. Ich habe einmal einige historische Berichte ausgegraben, die von der Zeit vor der Überschwemmung handeln. Dort gab es ein paar Stellen, in denen vage auf die Anwendung von Dunkelmagie auf den Dunstigen Inseln hingewiesen wurde. Es war nicht wirklich viel. Morthred war ein Name, der nach den Ereignissen geschmiedet wurde, nicht vorher. In der Sprache der Inseln bedeutet er › roter Tod‹, womit die Leute zum Ausdruck bringen wollten, dass er für all das verantwortlich wäre. Es tut mir jetzt leid, dass ich nicht ein bisschen mehr in den Berichten herumgestochert habe.«
Ich hätte mich über seine Gelehrsamkeit wundern und ihn fragen müssen, wie er dazu gekommen war, diese Berichte zu lesen, aber sein reumütiges Gesicht und das Schulterzucken führten dazu, dass meine logischen Überlegungen
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