Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
schön bezeichnet, aber sie hatte eine Ausstrahlung, die einem Respekt abverlangte, und ihre Augen waren viel zu scharfsinnig, als dass sie nicht beunruhigend gewirkt hätten. Sie mochte sich dafür entschuldigt haben, dass sie mich in ihre Angelegenheiten mit hineingezogen hatte, aber ansonsten wirkte sie gar nicht, als würde sie sich für irgendetwas entschuldigen.
» Es tut Euch leid? Dabei würdet Ihr es doch genau so noch einmal machen«, sagte ich unverblümt und wusste, dass es die Wahrheit war.
Flamme öffnete schon den Mund, um zu protestieren, aber da ließ sich dieser gesegnete Vogel wieder auf ihrer Schulter nieder. Als er trällernd herumhüpfte, schloss sie den Mund wieder. Der Vogel und ich sahen einander an, und eine Gänsehaut lief mir über den Rücken. Ich wollte so schnell wie möglich von hier weg.
Ich drehte mich zu dem Ghemf um und war im Begriff, genau das zu sagen, als ich feststellte, dass wir plötzlich von mehreren Ghemfen umgeben waren. Sie hatten Stühle und einen Tisch nach draußen geschafft und trugen gerade dampfende Speisen auf. Bevor ich irgendetwas tun konnte, wurde ich sanft auf einen Stuhl gedrückt, und man goss etwas Heißes in einen Becher, den man mir reichte. Ich machte eine abwehrende Geste, wobei sich ein großer Teil des Getränks über den Tisch ergoss, aber bis auf zwei Ghemfe waren jetzt alle anderen verschwunden. Das eine, ältere, dem ich vorgestellt worden war, saß gegenüber von Glut; das andere ließ sich auf dem Platz neben mir nieder.
» Was genau möchtet Ihr wissen?«, fragte das ältere Ghemf ohne lange Vorrede.
Ich verzichtete darauf, Einwände zu erheben, und begann stattdessen, mein Missgeschick zu beseitigen, indem ich die Serviette aus Seetang benutzte, die neben meinem Teller lag. Zumindest hielt ich es für eine Serviette, denn später sah ich, wie das Ghemf neben mir daran kaute, also war es wahrscheinlich doch keine.
Glut stellte ihren Becher ab, und in diesem Moment erhaschte ich einen Blick auf die Innenfläche ihrer Hand. Ein goldenes Muster war in die Haut geritzt, ein schnörkeliges Muster, das unleugbar das Werk eines Ghemfen war. Das also hatte sie ihm in der vergangenen Nacht gezeigt. Ich starrte immer noch darauf und fragte mich, in was ich da hineingeraten war, als Glut antwortete: » Ich bin auf der Suche nach einem sehr mächtigen Dunkelmagier. Er benutzt viele Namen; einer davon lautet Morthred, der Rote Tod. Meinen letzten Informationen nach hat er sich nach Mekaté aufgemacht. Offenbar gibt es irgendwo auf dieser Insel eine Enklave von Dunkelmagiern. Einige von ihnen sind umgewandelte Silbbegabte: Er verfügt über die Macht, silberblaue Magie in dunkelrote zu verwandeln. Aus Silbbegabten Dunkelmagier zu machen.«
Das Ghemf sah nicht sehr glücklich aus, aber es wirkte auch nicht überrascht. » Was genau interessiert Euch an diesen Dingen?«, fragte es schließlich.
» Wir möchten ihn aufhalten. Wir haben … Rechnungen privater Natur mit ihm zu begleichen, aber es geht noch um etwas anderes. Er muss aufgehalten werden, bevor er so stark wird, dass er großen Schaden anrichten kann. Er strebt nach einer politischen Position und hätte um ein Hummerhaar die Herrschaft über Burgfräulein Lyssal errungen, der Erbin von Cirkase. Er hat auch versucht, Lözgalt Freiholtz zu töten, den Erben von Bethanie.« Sie machte einen Moment Pause, um einen Schluck aus dem Becher zu trinken, und der Schock, der darauf folgte, ließ ihre Augen glasig werden. Der Inhalt schmeckte anscheinend furchtbar. Ich hatte von meinem Becher noch nichts getrunken und stellte ihn hastig unberührt wieder auf den Tisch zurück.
» Wäre dies nicht eher eine Aufgabe für die Silbbegabten der Wahrer-Inseln?«, fragte das Ghemf.
» Die Silbbegabten der Wahrer-Inseln sind natürlich ebenso darauf aus, den Dunkelmagier zu finden. Aber nur ein Wissender kann ihn zur Strecke bringen, weil nur die von der Dunkelmagie nicht beeinflusst werden. Lediglich die Wissenden können Dunkelmagie sehen.«
» Und Ihr seid eine Wissende?«
» Ja. Und Flamme verfügt über Silbmagie.«
Meine Skepsis wuchs, während ich ihr zuhörte. Mein Onkel Garwin hatte die Kinder der Himmelsebene häufig mit Geschichten über Magie erfreut – über Silbbegabte, die andere Leute mit Illusionen getäuscht und Kranke mit ihrem Geist geheilt hatten, oder auch über die bösen Dunkelmagier, denen er auf seinen Reisen begegnet war und die er besiegt hatte. Ich war aus dem Alter heraus, in
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