Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
Weile trieben sie hierhin und dahin, der Laune der Brise ausgesetzt, bis schließlich eine männliche Blume an die Blütenblätter der weiblichen stieß. Die cremefarbenen Blätter schlossen sich in einer zarten Umarmung um die kleinere Blüte. Gemeinsam trieben sie weiter dahin, wirbelten sanft im Wind, bis sie außer Sicht gerieten. Ihr Aroma hing weiter in der Luft.
Ich hörte, wie Glut ihren eingehaltenen Atem ausstieß. » Oh, nun. Ich verstehe, wie das in ein paar geilen jungen Selberhirten die Leidenschaft wecken kann.« Sie richtete ihren Blick wieder auf mich, und für einen langen mondbeschienenen Augenblick standen wir da und starrten uns an. Es war ein Moment, in dem alles möglich war, aber dann verriet mir etwas an ihrer Haltung, dass sie zwar nicht abgeneigt war, sich mit mir in die Blumen zu legen, es aber eigentlich nicht ich war, nach dem es sie verlangte. Ich verspürte den spitzen Stich der Enttäuschung und war über mich selbst verblüfft. Bis zu diesem Moment hatte ich Glut nicht mit diesen Augen betrachtet. Und doch stellte ich jetzt fest, dass ich mich nach ihr sehnte, nach ihrem Trost, ihrer Kameradschaft, ihrer Zärtlichkeit. Die Vorstellung, eine solche Frau zu besitzen und von einer solchen Frau besessen zu werden, war überwältigend und verlockend.
Bei der Schöpfung, sei nicht dumm, sagte ich ärgerlich zu mir selbst. Es ist Flamme. Glut steht auf Frauen. Sie will Flamme, aber Flamme steht auf Männer. So musste es sein. Das war traurig. Wenn du mit irgendjemandem schlafen willst, mein Junge, dann solltest du anfangen, dich auf die Cirkasin zu konzentrieren.
Sie würde es vermutlich sogar tun, wie ihr Verhalten mit dem Jungen aus Kyn – oder den beiden Jungen – gezeigt hatte.
Wie auf ein Zeichen drehten wir uns gleichzeitig um und gingen zurück in Richtung Lager. » Ihr werdet mir irgendwann erklären müssen, was es mit Eurem Riechen auf sich hat«, sagte sie nach einer Weile.
» Was gibt es da zu sagen?«, fragte ich leichthin, und dann zerstörte ich den Moment, indem ich gegen einen dornigen Busch rannte. Ich fluchte und blieb stehen, um mich davon zu befreien. » Wir Hochländer haben sehr gute Nasen, das ist alles.«
» Offenbar bessere Nasen als Augen«, bemerkte sie, während sie meinen hilflosen Bemühungen zusah, die Dornen loszuwerden, die unter den Bewohnern der Himmelsebene bekannt waren als » Wart-ein-Weilchen«. » Es ist wohl ein bisschen mehr als das, schätze ich. Ich bin nicht muschelhirnig blöd, Gilfeder. Ihr wisst Dinge, die Leute nicht wissen sollten. Ist das Magie?« Sie trat zu mir und half mir, meinen Tagaird aus den Dornen zu befreien.
» So etwas gibt es nicht«, sagte ich, erneut gereizt. » Unsere Nasen sind einfach nur anders, das ist alles. Wie Ihr sicherlich bemerkt habt, sind die Nasen von allen Hochländern aufrecht und ungewöhnlich lang. Die Struktur darin unterscheidet sich sehr von den Nasen anderer Inselvölker. Zumindest hat Garwin mir das gesagt. Ich habe noch nie eine Leiche von unten seziert, im Gegensatz zu ihm. Er scheint bei toten Körpern nicht das gleiche Problem damit zu haben, in sie hineinzuschneiden, wie bei lebendigen. Er sagt, dass unsere Nasen anatomisch gesehen komplexer sind und mehr Nervenenden haben. Und Ihr könnt wohl kaum übersehen haben, dass die Spitzen dazu neigen, leicht zu zucken, wenn sie – wenn sie stimuliert werden.«
Als ich mich endlich von dem Dornbusch befreit hatte, gingen wir weiter. Wie auf ein Zeichen hin schoss Sucher zu uns, sprang wie das verwilderte Hündchen herum, das er ja auch war. Er hatte wieder getötet; seine Schnauze war blutig. Ich wehrte ihn ab und sagte dann: » Das ist alles. Unser Geruchssinn ist einfach nur genauer als Eurer, mehr nicht.«
» So genau, dass Ihr wisst, wann Leute sich Eurem Dorf nähern? Und sogar, aus welchem Dorf sie kommen? Oder gar, wer genau sie sind?«
Ich starrte sie überrascht an. Selberspucke. Es war ihr gelungen, eine ganze Menge aus den paar Worten zu schließen, die mein Vater gesprochen hatte. » Wir sprechen nicht über solche Dinge mit welchen von unten«, sagte ich schließlich.
» Mir könnt Ihr es ruhig sagen. Ich habe zu viel gesehen, zu viel gehört, zu viele Schlussfolgerungen gezogen. Sogar Garwin hat etwas verraten, als er auf Gorthen-Nehrung Flamme behandelt hat. Er konnte Dunkelmagie riechen. Und es war kein Witz, als Ihr erklärt habt, dass Ihr Euer Dorf durch den Nebel hindurch riechen könntet. Kel, glaubt nur nie, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher