Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
allein deshalb, weil ich groß und eine Frau bin, auch das Hirn eines gestrandeten Wals hätte.«
» Oh. Äh, nein. Natürlich nicht. Es ist nur, wir mögen es nicht, zu …« Ich brach wieder ab. » Oh, finstere Hölle !«
» Wir müssen reden«, sagte sie.
Sucher wurde durch meinen Ton aufgeregt und versuchte, an mir hochzuspringen und mir über das Gesicht zu lecken. Verzweifelt fragte ich: » Wieso bei allen blauen Himmeln haltet Ihr Euch einen derart verrückten Hund?«
» Er erinnert mich an den Grund, weshalb ich mit Flamme losgezogen bin, einen Dunkelmeister zu töten«, sagte sie, vollkommen ernst. » Jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, erinnere ich mich an seinen früheren Besitzer, einen Jungen namens Tann. Ihr werdet mit mir sprechen, Gilfeder, und Ihr werdet uns helfen.«
Ich sah sie entsetzt an. » Euch helfen, jemanden zu töten? Habt Ihr den Verstand verloren? Ich bin Heiler und Wundarzt! Ich heile Menschen und töte sie nich.« Dann erinnerte ich mich an Jastriá und errötete.
» Ich verlange nicht von Euch, jemanden zu töten.«
» Ihr wollt, dass ich Euch helfe, und Ihr habt Mord im Sinn.«
» Keinen Mord. Die Hinrichtung eines Mörders. Des schlimmsten Mörders, den die Welt je gesehen hat. Tann war eines seiner Opfer: ein Kind, das mit Dunkelmagie geschlagen und dann zurückgelassen wurde, um qualvoll zu sterben.«
Der ernste Tonfall brachte mich dazu, ruhiger zu werden. » Ich bin Arzt«, murmelte ich, aber meinen Worten schien die Kraft zu fehlen.
Sie riss die Hände hoch. » Ich werde mich noch in eine scherenlose Krabbe verwandeln! Noch so ein Friedliebender! Was habe ich nur an mir, dass ich ständig Leute anziehe, die glauben, wir sollten uns mit den Bösen dieser Welt zu einem höflichen Gespräch zusammensetzen und eine Tasse Tee gemeinsam trinken? Wir werden reden«, fügte sie noch einmal hinzu. » Das schwöre ich Euch.«
8
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Erzähler: Kelwyn
Die Leute der Himmelsebene mochten zwar verdammen, was ich getan hatte, aber sie wahrten trotzdem die Einheit und Bräuche unseres Volkes. Sechs Tage später verließen wir das Dach von Mekaté, ohne dass die Fellih-Gläubigen und die Wachen des Himmelsherrn uns eingeholt hätten, und ich wusste, dass wir dies den Führern aus Tharn Gar zu verdanken hatten.
Als wir den Steilhang erreichten, ließen wir die Selber frei, mitsamt Sätteln, unserem warmen Bettzeug und den Schutzplanen aus Filz. Ich blieb einen Moment stehen und sah zu, wie sie im Nebel verschwanden; es kam mir so vor, als würden sie einen Teil meines Herzens mit sich mitnehmen, einen Teil, den ich nie wieder leben würde. Und so war es wohl auch, denn ich habe meinen Vater nie wiedergesehen, habe nie wieder mit meiner Mutter gesprochen und auch mit meinem Bruder nicht wieder gescherzt. Ich habe keinen einzigen Blick mehr auf Wyn geworfen, bin nicht mehr auf einem Selber über die Himmelsebene geritten und habe auch keine Mondblumen mehr unter einem Doppelmondhimmel gesehen.
Ich drehte mich um und folgte Glut und Flamme, die bereits mit dem Abstieg begonnen hatten – als ein Mann, der einen Teil von sich selbst verloren hatte. Einen Moment lang hasste ich die beiden Frauen, die mir das eingebrockt hatten.
Es war kein leichter Weg: Dieser Pfad wurde nicht so oft benutzt wie der, der die Himmelsebene mit Mekatéhaven verband. Er wand sich in engen Kehren hinunter zu einem schmalen Streifen Land und führte von dort zum Hafen Lekenbraig, der sich an der Spitze von Nibawasser befand. Ich war dort schon einmal gewesen, aber es hatte mich nie gedrängt, noch einmal zurückzukehren. Der Wald dort war zum größten Teil gefällt worden – getötet –, um den Sand abbauen zu können, der sich darunter befand. Dieser Sand war offenbar stark mit Seifenzinn durchsetzt, aus dem Zinngefäße und andere Gegenstände hergestellt wurden. Um das Seifenzinn zu erhalten hatten die Bäume und mit ihnen alles, was darin lebte, vom Angesicht der Erde verschwinden müssen. Als ich damals hier gewesen war, hatte ich das Gefühl gehabt, als hätte ich die letzten Spuren eines noch in der Luft hängenden Aromas einer Vielschichtigkeit von Leben aufgeschnappt, das nicht mehr existierte. Beinahe so, als könnte der gereinigte Sand sich nicht ganz von seiner fruchtbaren Vergangenheit befreien.
Auch diesmal nagte der Eindruck der Zerstörung an mir, während wir tiefer und tiefer gelangten und der Nebel sich lichtete. Da ich wusste, wie üppig das Leben in Küstenwäldern sein konnte, fiel es mir
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