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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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siebzig Jahre alt sein, und ihr Gesicht war voller Runzeln, aber die Lippen ihres rosenknospigen Mundes lächelten ständig, und ihre dunklen Augen glänzten, als hätte sie niemals irgendeine Tragödie oder ein Unheil erfahren. Sie umarmte mich zur Begrüßung in ihrem kleinen Häuschen, das aus zwei Zimmern bestand und zur Meeresbucht hinter dem Friedhof hinausging. » Jeder Neffe von Garwin ist mir mehr als willkommen!«, rief sie. » Und Ihr seht tatsächlich aus wie er!«
    Ich wurde genötigt, einen Becher heiße Schokolade zu trinken und etwas von ihrem Kokosnusskuchen zu essen, während ich ihr erzählte, wie es Garwin ging. Zugleich musterte ich das Hauptzimmer ihres Hauses. Der Herd und die Waschecke befanden sich in einem kleinen Anbau am rückwärtigen Teil, so dass der kleine Hauptraum aus nichts weiter als einem Küchentisch bestand, zwei Stühlen, einer Kommode und einem großen – sogar sehr großen – Bücherregal. Die Bretter waren voller Bücher und Dokumente und Schriftrollen. Als sie sah, wie mein Blick darüberwanderte, sagte sie: » Oh, sie gehören nicht mir, mein Lieber. Es sind Garwins. Er hat mich gefragt, ob er sie hierlassen könnte, und das Regal selbst herstellen lassen. Er sagte, wenn er sehr alt wäre, würde er wiederkommen und sie alle lesen.« Sie bekam einen verklärten Blick. » Was für ein gutaussehender Mann er doch ist.«
    » Er hat mir diesen Brief für Euch gegeben«, sagte ich ein bisschen irritiert, aber mit einem höflichen Lächeln, und reichte ihn ihr. Den Gedanken, dass Onkel Garwin ein » gutaussehender Mann« war, musste ich erst noch verdauen.
    Sie las den Brief langsam und errötete. » Er hat es allerdings auch faustdick hinter den Ohren«, fügte sie etwas steif hinzu, aber ihr Aroma verriet mir, dass sie eher erheitert als verärgert war. » Er hat gesagt, dass Ihr vielleicht einen Blick auf einige der Bücher und Dokumente werfen wollt, während Ihr darauf wartet, dass die Medizinkiste eintrifft. Natürlich könnt Ihr Euch jederzeit umsehen, wann immer Ihr wollt. Es ist eine Schande, all dieses Wissen hier herumliegen zu lassen, ohne dass jemand einen Nutzen davon hat. Ich habe versucht, es selbst zu lesen, aber das meiste ist so trocken wie sonnengebleichte Koralle und weit weniger interessant.« Sie lächelte mich an. » Ihr könnt kommen, wann immer Ihr wollt, mein Lieber.«
    Ich versprach, genau das zu tun.
    Ich glaubte auch nicht, dass meine Unruhe irgendetwas mit Flamme zu tun hatte. Seit sie wieder an Land war und richtig aß, schien es ihr sehr viel besser zu gehen. Nach nur einer Woche war die Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt, und ihre Haare glänzten wieder. Sie war zwar noch etwas stiller und reagierte nicht wie sonst auf Gluts lockeres Geplauder, aber abgesehen davon hatte ich den Eindruck, dass sie von Tag zu Tag kräftiger wurde. Ich schob ihren Mangel an Munterkeit auf ihre Sorge, was auf sie beide zukommen würde; immerhin war sie im Begriff, sich dem Mann entgegenzustellen, der sie vergewaltigt und mit irgendeiner schrecklichen Krankheit angesteckt hatte, die es notwendig gemacht hatte, ihr den Arm abzunehmen – das genügte sicherlich, um jeden normalen Menschen ein bisschen niedergedrückt werden zu lassen.
    Ich hatte in meinem Leben noch nicht viel mit Angriffen und Vergewaltigungen zu tun gehabt. So etwas kam auf der Himmelsebene nur selten vor, und gewöhnlich war der Täter von irgendeiner Geisteskrankheit befallen. Garwin hatte mir jedoch eine Menge über das mitgeteilt, was er in anderen Inselreichen beobachtet hatte, und von einigen Problemen erzählt, die durch solche unaussprechlichen Traumatisierungen erzeugt wurden. In Anbetracht der Wirkung, die so etwas auf den Geist eines Opfers haben konnte, fand ich Flammes Mut erstaunlich.
    Bist du sicher, dass es ihr gut geht?, fragte Ruarth mich eines Tages, nachdem ich mit ihr gesprochen hatte. Er flog auf meine Schulter, als wir nach draußen gingen und uns auf eine der Bänke im Orchideengarten der Herberge setzten.
    » Es geht ihr gut«, sagte ich. » Tatsächlich würde ich vorschlagen, dass ihr alle schon bald aufbrecht. Das Nichtstun könnte für sie schlimmer sein als das Warten, weil sie ja weiß, dass sie dieses Ungeheuer wiedersehen wird. Abgesehen davon könnten die Fellih-Gläubigen oder die Wachen des Havenherrn aufkreuzen, sobald das Postschiff wieder nach Lekenbraig zurückgekehrt is und die Nachricht überbringt, dass wir an Bord waren.«
    Der Schankjunge, der von dem

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