Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
Schulterzucken abgetan, aber das hier war das erste Mal, dass ich jemals irgendeine Kritik von Flamme gehört hatte, und ich errötete.
» Ihr wisst nicht, wie es ist, wenn man mit Dunkelmagie vergiftet wurde. Ihr kennt die Qual nicht. Ihr habt nicht gesehen, wie man daran stirbt.« Ihre Stimme war voller Schmerz und Bitterkeit und enthielt auch die Schärfe der Verachtung.
Ich errötete sogar noch mehr.
Flamme, schalt Ruarth sie.
Sie war augenblicklich zerknirscht. » Es tut mir leid, Kel. Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich bin nur einfach furchtbar müde und krank und mache mir Sorgen.«
Ich murmelte ein paar beschwichtigende Worte und stieg die Leiter zum Deck hinauf. Glut lehnte an der Reling und sah zu, wie das Land näher kam. Beinahe alle Passagiere hatten sich ebenfalls hier aufgereiht, um dies mitzuerleben, aber keiner von ihnen stand in ihrer Nähe. Ihre Fähigkeiten mit dem Schwert hatten dafür gesorgt, dass alle ständig einen Bogen um sie machten und einen Kreis schufen, den niemand ohne Aufforderung durchbrach. Ich ging zu ihr und stellte mich direkt neben sie. » Ich glaube, Ihr habt die Pest an Euch«, sagte ich.
» Kommt manchmal ganz gelegen.« Sie klang erheitert. » Wie geht es Flamme?«
» Sie is reizbar.«
» Ja, das habe ich auch gemerkt. Sie hat mir vorgeworfen, dass ich Sucher mehr Aufmerksamkeit schenken würde als ihr. Und zu Ruarth hat sie gesagt, dass er gleich gehen und in Eurer Kabine schlafen kann, wenn er sowieso die ganze Zeit damit verbringt, Euch seine Sprache beizubringen. Ich habe noch nie erlebt, dass sie so leicht eingeschnappt und so schnippisch ist.«
» Ihr seid ja auch noch nie seekrank gewesen«, sagte ich aus tiefstem Herzen.
Sie lachte. » Nein, das war ich nicht. Und ich habe das Meer schon sehr unruhig erlebt. Seereisen langweilen mich über alle Maßen: an einem so engen Ort eingesperrt zu sein. Oder zumindest war es bisher so. Danke, dass Ihr ein so interessanter Begleiter gewesen seid, Kel. Es hat Freude gemacht, Euch kennen zu lernen.«
Ich starrte sie überrascht an und fragte mich, ob sie sarkastisch war, aber sowohl ihre Miene als auch ihr Geruch waren aufrichtig freundlich. Ich brachte meinerseits ein Lächeln zustande, dann dachte ich an unsere Gespräche und begriff, dass wir uns tatsächlich sehr viel unterhalten hatten. Es gibt auf einem Schiff auch nicht sehr viel anderes zu tun. Sie hatte sich sehr für das Leben auf der Himmelsebene interessiert und alles über uns wissen wollen, angefangen von Hochzeitszeremonien bis zur Herstellung von Selberkäse. Sie war fasziniert von meinem medizinischen Wissen gewesen, und wir hatten Stunden damit verbracht, uns über Heilmittel, Behandlungen und Operationen zu unterhalten. Sie besaß selbst ein beträchtliches Wissen von ihren eigenen Reisen, und sie wollte wissen, welche Mittel wir benutzten. Als ich sie fragte, warum sie diese vielen Einzelheiten so interessierten, hatte sie mich schief angesehen und gesagt: » Oh, in meinem Beruf weiß man nie, wann einem das Wissen eines Arztes nützlich sein wird. Manchmal denke ich, ich habe genauso viel Zeit damit verbracht, Verletzungen bei anderen zu versorgen, wie welche bei ihnen zu erzeugen!«
Auch sie verfügte über reichlich Wissen. Im Laufe der Zeit hatte sie früher oder später jedes einzelne Inselreich aufgesucht und kannte unzählige Geschichten, die für einen Hochländer, der noch nie irgendwo anders gewesen war, vollkommen exotisch waren. Sie war witzig und scharfsinnig; sie konnte die Dummheit der Leute schroff kritisieren oder voller Verständnis für die Leute sein. Glut Halbblut mochte furchterregend genug gewesen sein, um die Leute an Bord dieses Schiffes aus ihrer Nähe zu vertreiben, aber unter dem bedrohlichen Äußeren wohnte ein guter Geist. Und irgendwann hatte sie es aufgegeben, mich Gilfeder zu nennen. Jedenfalls manchmal.
Hoch über unseren Köpfen verteilten sich die Matrosen in der Takelage, als die Segel eingeholt wurden und das Schiff seine Fahrt verlangsamte. » Ich habe mit den Segelmachern in unserer Kabine gesprochen«, sagte ich. » Sie gehen nach Amkabraig, um die Pflanzenstreifen zu besorgen, aus denen sie die Segel herstellen.« Ich deutete auf das farbenprächtig gewebte Material, das die Seeleute jetzt aufrollten. » Sie nennen es Pandana. Es is eine besondere Art der Pandanus-Palme, die nur auf Porth wächst und in letzter Zeit unerklärlicherweise weniger geworden is.«
Sie schwieg zunächst. Dann sagte sie:
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