Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
bisherigen Forschungen auf den Kopf zu stellen. Er stellte tief in die Materie eindringende Fragen über das, was sie bis jetzt getan hatten, und zerfetzte den größten Teil davon. Er scheute sich nicht, Reyder » Junge« zu nennen, und erklärte ihm grummelnd, dass es an der Zeit wäre, dass der Patriarch die Dunkelmagie in seinem Bauch vergaß und sich an das Hirn in seinem Kopf erinnerte, das sein Gott immerhin für nötig befunden hätte, dorthin zu pflanzen. Er schalt seinen Neffen, weil dieser nicht bedacht hatte, dass allein aus der Tatsache, dass ein Wissender die Farbe der Silbmagie als schwadenartige Ausdünstung sehen konnte, nicht zu schließen war, dass auch die grundlegende Silbmagie selbst eine Art Dampf war. Wieso konnte es nicht einfach eine Komponente des Blutes sein, die aufgrund ihrer magischen Eigenschaften die Luft befleckte, wenn sie von ihrem Besitzer aktiviert wurde? Argumente wanderten hin und her, und den größten Teil davon verstand ich nicht.
Ich konnte allerdings ein paar Einzelheiten über die Ereignisse der Vergangenheit aufschnappen und zusammensetzen. Es schien, als hätte Reyder irgendwann eine Art Vergiftung durch Dunkelmagie erlitten, die ihn immer noch befleckte, wenn sie auch nicht lebensbedrohlich war. Kelwyn Gilfeder hatte einmal gehört, dass die Silbmagie durch die Nachgeburt ins Baby strömte, und aufgrund dieser Beobachtung glaubte er jetzt, dass Mütter ihre Kinder bei oder nach der Geburt ansteckten. Sie wussten auch, dass Väter mit Dunkelmagie Kinder mit Dunkelmagie hatten, und dass die Mutter, wenn sie bisher keine Dunkelmagie besaß, sich dann im Laufe der Zeit anstecken würde– wenn nicht durch den Vater, dann durch das Baby. Sie wollten also genau herausfinden, was von der Mutter auf das Kind und vom Kind auf die Mutter übertragen wurde. Sie wollten die Magie isolieren…
Weit schwieriger war, das Weißbewusstsein irgendwie in dieses Bild einzupassen, weil niemand es sehen konnte. Oder es riechen konnte. Sie wussten lediglich, dass es innerhalb der gleichen Familie gehäuft auftrat. Offenbar vertrat Kelwyn die Theorie, dass Silbmagie die harmlose Form einer Infektionskrankheit war, und Dunkelmagie die bösartigere Variante, während Weißbewusstsein eine Art Immunität darstellte. » Stellt es Euch so vor«, sagte er zu mir, als ich ihn verständnislos ansah. » Kinder bekommen die Masern oder Mumps nur einmal, danach sind sie geschützt. Sie sind immun dagegen. Das Weißbewusstsein is die Immunität gegen Magie. Ganz einfach. Wenn wir genügend Weißbewusstsein isolieren können, können wir es vielleicht nutzen, um die Dunkelmagie auszulöschen, oder zumindest um es Leuten zu geben und sicherzustellen, dass sie nich umgewandelt werden können.«
Oder, um die Silbmagie auszulöschen, dachte ich. Mochten die Menoden die Silbmagie so wenig, dass sie bereit waren, sie zu vernichten? Bei Reyder war das so, dessen war ich mir sicher.
Als ich einen oder zwei Abende später neben Jesenda auf dem luxuriösen Himmelbett lag und mit ihr über meine Befürchtungen sprach, wirkte sie genauso besorgt wie ich. » Vater hat den Menoden immer misstraut«, murmelte sie. » Es sieht so aus, als hätte er recht gehabt. Elarn, sie haben vor, uns allen unsere Macht zu nehmen. Uns allen– denen mit der Dunkelmagie genauso wie denen mit Silbmagie. Und wenn das erst passiert ist, werden es diese scheinheiligen Mistkerle von Menoden-Patriarchen sein, die in der Nabe herrschen. Das muss unbedingt verhindert werden!« Sie stützte sich auf einen Ellenbogen auf. » Und du bist derjenige, der sie aufhalten muss. Du musst ihre Bemühungen sabotieren. Dafür sorgen, dass sie niemals finden, wonach sie suchen. Es wird alles ganz allein von dir abhängen.«
Ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz tiefer sinken, irgendwo dahin, wo mein Bauch war.
» Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt, oder?«, fragte sie und fuhr mit einem Finger über meine Lippen, mein Kinn und meine Brust.
» Nein, natürlich nicht.«
Der Finger wanderte tiefer, und sämtliche Zweifel, die ich gehabt haben mochte, verschwanden jetzt tatsächlich.
Irgendwann später erklärte sie: » Du wirst eine Weile ohne mich zurechtkommen müssen.«
» Warum?«, fragte ich beunruhigt. Ohne sie zurechtkommen? Ich war mir nicht sicher, ob ich das noch konnte.
» Ich verlasse die Nabe für ein paar Wochen. Vater schickt die drei Schiffe aus, die bereits mit Kanonen bestückt sind und genügend Schwarzpulver an
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