Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Vielleicht hält die Wirkung nicht an.«
» Wir könnten es immer noch zuerst an mir testen«, sagte Reyder ruhig. » Was wir ohnehin hätten tun sollen.«
Ruarth schüttelte den Kopf. » Nein. Machen wir uns nichts vor, Thor. Flamme bekommt entweder dieses Mittel, oder sie muss sterben. Wir alle wissen das– und sie hat es auch gewusst. Es gibt keine andere Wahl.«
» Aber sicher doch«, wandte Garwin ein. » Die Nabe und die Wahrer und die Silbheilung. Das war immer eine Möglichkeit, oder nich?«
» Jesendas Anweisungen lauteten, sie zu töten«, sagte ich. » Nicht, sie zurückzubringen, um sie durch Silbmagie zu heilen.«
Jetzt starrten alle mich an. Es war mir unmöglich, ihren Blicken zu begegnen.
» Das hat sie Euch gesagt?«, fragte Reyder.
» Ja. Genau wie Dasrick. Oder seine Worte haben es zumindest nahegelegt. Er hat auch gesagt, dass er bezweifelt, dass Flamme durch Silbmagie überhaupt geheilt werden könnte.« Niemand sagte etwas dazu, und alle vermieden es, mich anzusehen. Ihre Verdammung hing trotzdem in der Luft. Nein, vielleicht ist das das falsche Wort. Es war eher… Enttäuschung. Sie hatten etwas Besseres von mir erwartet. Und in gewisser Weise war das noch schlimmer.
» Dann steht unsere Antwort fest«, sagte Ruarth.
Kelwyn kam in diesem Moment zurück, mit einer kleinen Medizintasche. Wir sahen schweigend zu, wie er sich die Hände wusch und Flammes Oberarm zuerst mit Seife, dann mit destilliertem Alkohol reinigte. Er gab ein paar Tropfen des Heilmittels auf die gereinigte Stelle und ritzte dann ihre Haut mehrmals mit der Spitze eines scharfen Chirurgenmessers auf.
» Ist das alles?«, fragte Ruarth, der sichtlich erstaunt war, wie einfach das alles ging.
» Das is alles«, sagte Kelwyn. » Die nächsten ein oder zwei Tage wird noch keine Veränderung zu bemerken sein, abgesehen von nem roten Flecken auf dem Arm. Sie wird sich nur langsam– wenn überhaupt– von der Dunkelmagie erholen. Wir glauben, dass das Weißbewusstsein sich irgendwie ausbreitet und im Blut vervielfacht und dass es die Magie angreift, die dort bereits lauert.«
Sie begannen sich darüber zu unterhalten, warum die Silbheilung den sieben vergifteten Menoden-Silbmagiern nicht geholfen hatte– vielleicht, weil sie bereits zu Wissenden geworden waren. Aber davon wollte ich nichts hören. Genauso still, wie ich in das Zimmer hineingeschlüpft war, schlüpfte ich auch wieder hinaus.
Am nächsten Morgen regnete es immer noch. Ich wachte spät auf und erfuhr gleich die Neuigkeit, dass das letzte Langboot, das zur Nabe unterwegs gewesen war, ein paar Meilen stromaufwärts gekentert war. Die Ladung war verloren, und zwei unserer Gildenmitglieder sowie einige Passagiere waren ertrunken. Die Gilde war in Aufruhr. Einige sagten, die Rinne hätte für den Schiffsverkehr geschlossen werden sollen, besonders angesichts meines Berichtes vom Vortag. Andere fanden, dass es der Fehler der Händler war, die das Boot überladen hatten, weil sie befürchtet hatten, dass die Gilde den Schiffsverkehr wegen des schlechten Wetters schon bald einstellen würde. Wieder andere machten die Gildenleute dafür verantwortlich, die zugelassen hatten, dass das Langboot überladen war, oder sie beschuldigten den Wehrmeister in der Nabe, dass er zur falschen Zeit zu viel Wasser entlassen hatte, um die Stadt vor einer Überflutung zu bewahren. Unbestritten war, dass eine riesige Ebbwoge stromabwärts unterwegs gewesen war, die dann auf die einströmende Flutwelle geprallt war.
Solche Streitereien gab es jedes Mal, wenn etwas schiefging; ich vermutete, dass es im Wesen des Menschen lag, jemanden zu finden, dem oder der man die Schuld geben konnte. Oder nach Möglichkeiten zu suchen, wie man verhindern konnte, dass sich eine solche Tragödie wiederholte. Normalerweise hätte ich mich daran genauso lautstark beteiligt wie alle anderen; diesmal schwieg ich. Ich war am Tag zuvor selbst nur knapp einem Unglück in der Rinne entkommen, und meine Reaktion darauf bestand darin, nicht zu viel darüber nachzudenken. Ich hatte es wohlbehalten zurückgeschafft, im Gegensatz zu anderen. Ich wollte nicht an die denken, die dabei draufgegangen waren. Ich wollte mich einfach nur gut fühlen, weil ich überlebt hatte. Abgesehen davon gab es andere Dinge, über die ich nachdenken musste. Ich wurde von Schuld verzehrt.
Ich beschloss, den Turm der Gildenhalle hinaufzusteigen, um einen Blick auf das Wetter zu werfen, aber Marten quatschte mich unterwegs an, als
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