Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
jetzt auch nicht erzählen– nicht heute Nacht. Morgen… Ich werde morgen wiederkommen…« Ich hatte vorgehabt, ihnen alles zu erzählen, aber plötzlich konnte ich es nicht, nicht jetzt. Die Erkenntnis meiner ganzen Dummheit war noch zu frisch, fühlte sich noch zu roh an in meinem Geist.
» Was genau möchtet Ihr uns dann heute sagen?«, fragte Reyder. » Ist Glut auf dem Schiff, wie Kel und Garwin behaupten?«
Ich nickte. » Ja. Jesenda hat sie mir gezeigt. Sie ist gefesselt und angekettet.« Ich erzählte ihnen alles, was ich wusste, und alles, was Glut gesagt hatte. Alles, was Jesenda mir über das voraussichtliche Schicksal des Halbbluts erzählt hatte. » Sie gehen kein Risiko mit ihr ein«, endete ich schließlich.
Reyder schnaubte. » Dasricks Tochter hat von ihrem Vater das eine oder andere über Glut gelernt, wie es scheint. Sie weiß, dass Glut eine Frau ist, die sich nur schwer einsperren lässt.«
» Wir werden uns darum kümmern«, sagte Kel. In seiner Stimme schwang eine Wut mit, die nicht zu ihm passte, und wir alle sahen ihn an. » Ich habe schon einmal wegen eines widerlich unvernünftigen Rechtssystems ne Frau verloren, die ich liebte«, begann er zu erklären. » Und ganz sicher seh ich nich tatenlos zu, wie eine andere durch ein Gericht getötet wird, das sein Urteil beschlossen hat, bevor es überhaupt zusammengetreten is.«
Reyder blinzelte auf eine Weise, die mich vermuten ließ, dass Kelwyn gerade das erste Mal offen von seiner Liebe zu Glut gesprochen hatte. » Die Schiffe werden nicht so schnell zur Nabe kommen, auch wenn eine Menge Wasser in der Rinne ist«, sagte ich. » Aber das Wetter ist ziemlich schlecht, und die Bedingungen sind entsetzlich. Wenn sich das nicht ändert– was ich bezweifle–, brauchen sie mindestens zwei oder drei Tage, um die Nabe zu erreichen. Und jetzt gehe ich zur Halle zurück. Und schlafe, sofern ich das kann. Morgen… morgen werde ich Euch dann alles sagen, was Ihr wissen müsst.«
Ich nahm meine Kappe und setzte sie mit einer schroffen Handbewegung wieder auf. Sie war immer noch feucht.
Reyder war derjenige, der die Tür öffnete und mir nach draußen folgte. » Seid nicht so hart gegen Euch selbst«, sagte er. » Wenn Gott Euch vergeben kann, könnt Ihr Euch auch selbst vergeben.«
» Und was ist mit den Toten?«, fragte ich. » Wie schaffe ich es, dass die Toten mir vergeben?« Ich ging weg und überließ es ihm, mir nachzusehen.
Ich hatte vergessen, dass ich am nächsten Tag Dienst hatte.
Aber auch, wenn es meinem Gedächtnis entgangen sein mochte, dann nicht dem von Denny. Der Junge weckte mich noch vor dem Morgengrauen, so dass mir genügend Zeit blieb, mich anzuziehen, zu frühstücken und die Flutwelle zu erwischen. Das Wetter war schlecht, und in zwei Tagen war eine Walkönig-Welle fällig, was bedeutete, dass die beiden Monde bereits dabei waren, sich in eine Linie mit der Sonne zu bringen. Die Flutwelle würde also groß und tückisch sein.
Ich hatte einen gottverfluchten Ritt zur Nabe, und einen sogar noch schlechteren zurück nach Tenkor. Normalerweise hätte ich mich dort über Nacht ausgeruht und wäre am nächsten Tag zurückgekehrt; aber ich hatte Reyder und den Gilfedern ein Versprechen gegeben, das ich halten wollte, und so nahm ich die nächste Ebbwoge zurück. Es regnete den ganzen Weg lang, und es war ein kalter, schräg fallender Regen. Nachdem er ein paar Minuten unaufhörlich auf mich eingepeitscht hatte und ich kaum etwas sehen konnte, wusste ich, dass ich mir entweder etwas Besseres einfallen lassen oder umkehren musste. Nach ein paar Experimenten stellte ich fest, dass ich einen Schutzzauber über dem Kopf errichten konnte, um den Regen fernzuhalten. Schwerer als der Zauber war es allerdings, diesen Schutz in der Bewegung bei mir zu behalten; jedes Mal, wenn ich in meiner Aufmerksamkeit ein bisschen nachließ, blieb er etwas zurück. Allerdings war ein Guss aus kaltem Wasser eine unverzügliche Ermahnung, und so lernte ich bald, besser damit umzugehen.
Darüberhinaus, und das war vielleicht noch schlimmer, war die Ebbströmung so gewaltig, dass sie mehr einer vom Sturm beeinflussten Flutwoge ähnelte. Überall war Treibgut von der Flut, häufig durch den Schlamm und Schlick verborgen. Mehrmals kam ich nur knapp davon, und einmal war es richtig grauenhaft, als mein Gezeitengleiter umkippte und es mir nur im allerletzten Moment gelang, ihn wieder aufzurichten und mich gleichzeitig an der Welle festzuhalten– durch
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