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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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seiner Gruppe?«
    Helene verdrehte die Augen.»Seine Gruppe … Ha! Dass ich nicht lache. Lausiges Verräterpack. Ich wusste nur vom Kutscher, der für das Waisenhaus gearbeitet hat. Erinnerst du dich, er hat dich damals vom Hafen abgeholt. Und dann war da noch der Straßenkehrer. Käuflicher als eine Dirne. Ihm habe ich zu verdanken, was mir passiert ist. Ihm und diesem Jungen, der damals mit dir von der Insel gekommen war.«
    »Weert.«
    »Genau. Ein Lüstling. Ein kleiner Bastard. Als er mich anfassen wollte, hab ich ihm gesagt, er solle sich verziehen, und da hat er sich diese Sache einfallen lassen … « Ihre Stimme war mit jedem Wort lauter und erregter geworden.
    Als daraufhin ihr Sohn aufwachte und leise zu wimmern begann, stimmte Helene wieder ihr Lied an. Sie summte es eintönig und schläfrig vor sich hin und reagierte nicht mehr.
    Obwohl Maikea sterbensmüde war, entschied sie sich, keinen Moment länger hierzubleiben. Selbst wenn dort draußen weitere Gefahren auf sie warteten und es vielleicht sicherer wäre, die Nacht in dieser Stube zu verbringen, wollte sie los. Irgendwie musste es ihr gelingen, den Weißen Knecht zu finden. Nichts würde sie mehr zurückhalten.

8
    W ilhelmine Sophie fühlte sich in Ostfriesland alles andere als wohl. Das lag jedoch nicht an der kargen Landschaft, denn in ihrem Geburtsort, dem kleinen Flecken Weferlingen an der Aller, gab es ebenfalls keine Berge, dafür endlose Wesen und Weiden. Es lag auch nicht am Schloss, in dem sie nun wohnen durfte. Sie war an einem furchtbaren Ort groß geworden, geprägt von der Armut und dem kläglichen Versagen des Geschlechtes Brandenburg-Culmbach-Bayreuth, das immerhin von den Hohenzollern abstammte. Manch einer spottete, der Name der Familie nehme geschrieben mehr Platz in Anspruch als das Reich, in dem sie regierte. Bevor Wilhelmine nach Aurich gekommen war, hatte sie sich jedoch im wesentlich feudaleren Bayreuth aufgehalten und Geschmack am gehobenen Lebensstandard gefunden. Und als der Vater entschied, sie solle ihren Cousin, den Fürsten von Ostfriesland, ehelichen, hatte sie an einen reichen, stolzen Mann gedacht. Immerhin herrschte er über ein Land, das man nicht an einem Tag mit der Kutsche umrunden konnte.
    Aber nun kam ihr der Ehegatte ärmlich vor. Carl Edzard war zwar nicht unfreundlich zu ihr, im Gegenteil, er zeigte sich großzügig in der Ausstattung ihrer Räume und Garderobe – von so viel Samt, Brokat und Perlen hatte sie ihr Leben lang geträumt. Aber er war furchtbar langweilig, hatte den Ehrgeiz eines Kutschpferdes und die Ausstrahlung eines Schafes. Dass er noch nicht einmal versucht hatte, ihr beizuwohnen, war im Grunde ganz nach ihrem Willen.
    Andererseits wollte Wilhelmine natürlich auch einen Sohn in die Welt setzen, der dann ein würdiger Herrscher sein könnte. Sie hatte sich in der Vorfreude auf die eheliche Verbindung stets als hoch geachtete, einflussreiche Fürstengattin und verehrte Mutter eines Thronfolgers gesehen. Doch dann hatte sich alles ganz anders entwickelt. Und das machte Wilhelmine unzufrieden. Bis letzte Woche ein Brief für Unruhe gesorgt hatte.
    Was genau sich durch den Besuch des jungen Ratsherrn verändert hat, vermochte Wilhelmine nicht zu sagen. Stattlich war dieser Weert Switterts, wenngleich nicht gerade ein Adonis, denn sein Lächeln wurde von einer Zahnlücke beeinträchtigt. Aber er schien ein gerissener Mann zu sein, der sich auf hinterhältige Weise das holte, was er wollte. Durch ein paar vertrauenerweckende Floskeln hatte er den jammernden Fürsten dazu gebracht, endlich einmal den Mund aufzumachen. Das hatte auch Wilhelmine Klarheit gebracht. Selbst wenn dabei herausgekommen war, dass ihr Gatte an einem Kammerfräulein hing, das noch einfältiger zu sein schien als er selbst. Das war ihr egal. Er hatte versprochen, seinen ehelichen Pflichten nachzukommen, und das war immerhin besser als die Tatenlosigkeit der letzten Wochen.
    Nun wartete Wilhelmine allerdings schon die siebte Nacht in ihrem Gemach. Sie saß vor dem Frisierspiegel und spielte mit ihren blonden Locken, die im Kerzenschein seidig glänzten. Ihre neue Hausdame, die Mätresse ihres Gatten, stand hinter ihr und kämmte sie seit einer halben Stunde unermüdlich. So konnte Wilhelmine sich im Spiegel mit ihrer vermeintlichen Konkurrentin vergleichen. Und je länger sie sich mit Jantje verglich, desto weniger verstand sie, warum Carl Edzard sich zu dieser pummeligen Dienstbotentochter hingezogen fühlte.
    »Au, pass

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